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Problemkreis Lesen: Abwarten statt handeln

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Stunde der Wahrheit: Vergleichsstudien bescheinigen deutschen Grundschülern schlechtes Lesevermögen und mangelnde Schreibkenntnisse. Auch Schweizer Schulen sind gefordert.
Reformen statt Fortschritt, journal21.ch, 12.12. von Carl Bossard

Jedes fünfte Viertklass-Kind in Deutschland kann nicht richtig lesen; das zeigt die neue Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU. (1) Seit 2001 stagnieren die Leseleistungen. Andere Länder wurden besser und überholten Deutschland. In den Bereichen Rechnen, Schreiben und Zuhören seien sogar „signifikant negative Trends zu verzeichnen“, schreiben die Studienautoren eines weiteren Vergleichstests. (2) „Bankrotterklärung für Grundschulen“, lautet das Fazit in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ. Gar von „Schule im Niedergang“ ist die Rede. (3) Ein beunruhigender, ja blamabler Befund. Er lässt aufhorchen, denn er sei „schlicht und ergreifend eine einzige Schande“, so der verantwortliche Studienleiter.

Reformen führen nicht an die Spitze
Auffallend ist die Korrelation zwischen ungenügenden Grundkenntnissen und besonders reformfreudigen Bundesländern. Dramatisch zeigt sich der Leistungseinbruch bei den Grundschülern in Baden-Württemberg. Das einstige Bildungsvorzeigeland hat seine Schulen gründlich reformiert. Heute platziert es sich nur noch knapp vor den Stadtstaaten Berlin und Bremen; sie bilden das Schlusslicht im Ranking der deutschen Schulsysteme. Die bildungskonservativen Bundesländer Bayern oder Sachsen dagegen liegen an der Spitze. (4)

Kaspar Hausers heimliche Rückkehr
Das schlechte Ergebnis lässt sich nicht monokausal erklären – und auch nicht mit der zunehmenden Heterogenität durch die Immigration. Doch es hat seine Gründe: Basiskönnen wie verstehendes Lesen, kohärentes, grammatikalisch wie orthografisch korrektes Schreiben und intensives Rechnen kamen in den vergangenen Jahren an vielen Schulen zu kurz, ebenso nachhaltiges Üben und Festigen.

Dazu kommt, dass sich Kinder heute in Lernateliers und auf Lernparcours vieles selber aneignen müssen: selbstorientiert und interessengesteuert in der Art von Autodidakten. Dabei werden die soziale Dimension des Unterrichts und der Wert des pädagogischen Bezugs zur Lehrperson vergessen. Heutige Schulkinder sind Lerner, Lernorganisator und Lernevaluator in Personalunion: moderne Kaspar Hauser-Figuren – oft auf sich allein gestellt und selbstverantwortlich für ihr Lernen.

Die Schriftsprache lautgetreu selber lernen
Deutschlands Schüler stagnieren beim Lesen auf mässigem Niveau und fallen beim Schreiben deutlich zurück. Als besonders problematisch erwiesen sich die neuen, angeblich „genialen“ Unterrichtsmethoden des Sprachenlernens. Jahrelang wurden im deutschsprachigen Raum viele Kinder mit dem Konzept „Schreiben nach Gehör" alphabetisiert, wissenschaftlich „Lesen durch Schreiben“ genannt.

Entwickelt hat dieses lautgetreue Schreiben der Schweizer Pädagoge Jürgen Reichen (1939–2009). Schüler können sich die Schriftsprache selber erarbeiten, ähnlich wie Kleinkinder das Laufen und Sprechen erlernen, lautete Reichens apodiktisches Credo. Sein Programm basiert auf einer sogenannten Anlauttabelle, dem „Buchstabentor“. Ein passendes Bildchen illustriert jeden Buchstaben. Ein Fisch zum Beispiel steht für das „F“. Das Konzept lässt die Kinder das Schreiben individuell und nach eigenem Tempo lernen. Selbstgesteuert und in Lernwerkstätten.

Mit Hilfe dieses Buchstabentors setzen sich die Schüler „alle Wörter der Welt“ aus Lauten zusammen. Will ein Kind etwa „Ballon“ schreiben, murmelt es die einzelnen Laute vor sich hin und sucht die Buchstaben aus den Bildchen der Tabelle zusammen: das „B“ von der Banane, das „A“ vom Affen und so weiter. Die Abc-Schützen schreiben nach Gehör – wie sie es vom Klang der Worte her für korrekt halten, eben: lautgetreu. Auf die Orthografie müssen sie keine Rücksicht nehmen. Vielleicht entsteht so das Wörtlein „balon“ oder nach drei bis vier Unterrichtsjahren ein Sätzlein wie: „Du kanst gut tenis spilen.“

Absolute Fehlertoleranz
Die Freude am freien Fabulieren ist oberstes Prinzip. Dabei sollen die Kinder nicht gestört werden. Niemand darf eingreifen. Wortschatz und Grammatik werden nicht beachtet. Fehlerhafte Formen gehören dazu. Sie würden sich später korrigieren; das Korrekte komme automatisch, so Reichens Annahme. Auch das Lesen soll sich dann von alleine einstellen.

Reichens Konzept wurde erst vor zwei, drei Jahren auf seine Wirkung hin untersucht. „Die Ergebnisse sind katastrophal, eigentlich müsste ‚Lesen durch Schreiben‘ sofort verboten werden“, urteilte der emeritierte Zürcher Pädagogikprofessor Jürgen Oelkers. Lautsprache und Schriftsprache sind eben zwei ganz verschiedene Systeme. Besonders benachteiligt, und das ist das Unsoziale, sind fremdsprachige Schüler und Kinder ohne Elternhilfe. Das lautgetreue Schreiben sei „keine Methode, sondern unterlassene Hilfeleistung“, schrieb die FAZ und ergänzte: „Wie eine solche haarsträubende Methode flächendeckend Eingang in die Grundschulen finden konnte, bleibt ein Rätsel.“ (5)

Wer nicht schreiben kann, hat Mühe mit Lesen
Doch ist es letztlich entscheidend, ob es nun „Ballon“ oder „balon“ heisst? Leben wir nicht in Zeiten von Korrekturprogrammen und Facebook-Twitter-Blog-Kommunikation? Wer so fragt, verkennt, wie wichtig korrektes Schreiben ist. Es geht um mehr als das „ck“ oder das Dehnungs-h, es geht um mehr als richtiges und rasches Recherchieren im Internet, um mehr als eine soziale „Visitenkarte“; es geht letztlich auch ums Lesen.

Wer nicht weiss, wie man schreibt, hat Mühe mit Lesen. Er muss zeitraubend entziffern und bleibt auf der Ebene des Worterkennens stecken – und damit letztlich Analphabet. Wie so manche.

Systemversagen
Ob’s ums Lesen und Schreiben der Schweizer Kinder besser bestellt ist? Eine Studie der Universität Freiburg von 2016 lässt daran zweifeln. (6) Wer genau hinsieht und die Lehrmeister in den Betrieben fragt, weiss es schon lange: Viele Schulabgänger zeigen eklatante Schwächen im Fach Deutsch sowohl bei der Textkohärenz wie in Orthografie und Grammatik. „Viele KV-Bewerber bringen nicht den gewünschten Schulrucksack mit“, heisst es beim Ausbildungsverbund Aprentas. 2017 schieden zwei Drittel der Lehrlingsanwärter aus; sie erfüllten die Qualifikationen nicht. (7)

Dass jeder Fünfte unserer 15-Jährigen die Schule ohne die notwendigen sprachlichen Grundkenntnisse verlässt, ist schlicht ein „Systemversagen“, wie es Stefan C. Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung, auf den Punkt bringt. Und er fügt hinzu: „Bei einer durchschnittlichen Klassengrösse von 19 Schülern können in der Schweiz bei Schulabschluss zwei bis drei Schüler pro Klasse nur unzureichend schreiben und lesen.“

Überholte pädagogische Reformen überprüfen
In Baden-Württemberg, dem einstigen Bildungsspitzenreiter unter den deutschen Bundesländern, führten die Ergebnisse zu kontroversen schulpolitischen Debatten. Dort wurde das Konzept „Schreiben nach Gehör“ bereits abgeschafft – wie vielerorts in Deutschland. Die Verantwortlichen handeln.

Wie wenig sich die Schweizer Erziehungsdirektoren um diese Problematik kümmern, zeigt beispielsweise die Reaktion des St. Galler Bildungsdirektors nach einem Gespräch mit kantonalen Wirtschaftsvertretern. Sie beklagten die mangelnden Deutschkenntnisse der Schulabgänger. Bis zu fünfzig Prozent der Bewerber bestehen den Eignungstest zur Stadtpolizei der St. Gallen nicht. Sie scheitern an der Muttersprache. Die Bildungsdirektion, so die Antwort, werde „die Deutschkenntnisse gezielt fördern“ – und mit einer „neuen Generation adaptiver Lernfördersysteme“ reagieren. (8)

Vom Überprüfen modischer Methoden stand kein Wort. Zu gutem Deutsch gelangt man nicht auf diesem Weg. Da ist mehr zu tun.

(1) Anke Hussmann et al. (Hrsg.): IGLU 2016. Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann Verlag 2017. Die Schweiz nahm an dieser Vergleichsstudie nicht teil.

(2) Petra Stanat et al. (Hrsg.): IQB-Bildungstrend 2016. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe im zweiten Ländervergleich. Münster: Waxmann Verlag 2017. Diese Vergleichsstudie gilt als deutsches Pendant zur internationalen Pisa-Studie.

(3) Regina Mönch: Schule im Niedergang. In: FAZ, 7. Dez. 2017, Nr. 284, S. 11.

(4) Bundesweites Bildungsniveau. Grundschüler schlechter in Mathe und Deutsch. In: Spiegel Online, 10. 12. 1017

(5) Uta Rasche: Orthographie in Schulen: Schraibm nach gehöa. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1. März 2015, Nr. 9, S.10.

(6) Sabine Kuster: Schweizer Kinder machen deutlich mehr Fehler als deutsche und österreichische. In: Aargauer Zeitung, 10. Aug. 2016.

(7) Franziska Pfister: Mangel an KV-Lehrlingen nimmt zu. In: NZZaS, 18. Juni 2017, Nr. 35, S. 29.


(8) Firmenchefs fordern besseres Deutsch. In: Wiler Zeitung, 4. Dez. 2017.

Empfehlungen für den Französischunterricht mit dem Lehrmittel "Clin d'oeil" auf der Realstufe

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Basierend auf Erkenntnissen aus der Literatur und der von S. Zbinden (2017) verfassten Masterarbeit "Leseverstehen mit altem und neuem Lehrmittel im Vergleich. Eine empirische Studie über das Verstehen von französischen Texten auf der Sekundarstufe 1" können für den Französischunterricht, insbesondere für die Förderung der Fertigkeit "Leseverstehen", folgende Empfehlungen zusammengefasst werden:
Empfehlungen für den Französischunterricht mit dem Lehrmittel "Clin d'oeil" auf der Realstufe, Dezember 2017, von Susanne Zbinden


1. Wortschatz und auch Grammatik werden in der Literatur allgemein beim schulischen Fremdsprachenerwerb, so auch beim Verstehen von Texten, eine zentrale Rolle zugeschrieben. Dabei nehmen Nomen eine Schlüsselfunktion ein. Die Vermutung liegt nahe, dass die schlechteren Leistungen der Clin d'oeil-Lernenden bei vorliegender Studie u.a. durch die Reduktion der Sprachmittel erklärbar sind. Zudem haben Lernende rückgemeldet, dass sie insbesondere Alltagswortschatz erwerben möchten. Es scheint also sinnvoll, mit ihnen vermehrt alltagsrelevante Nomen zu lernen (vgl. Jeon/Yamashita 2014; Furtner/Sachse 2008; u.a.).

2. Mit dem Strategientraining wünscht man, die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses zu verbessern. Schmidt (2006) fand heraus, dass die Arbeitsgedächtnisleistungen beim Textverständnis jedoch erst auf Sprachniveau C1 relevant waren, auf tieferem Sprachniveau waren die Wortschatzkenntnisse entscheidend. Auch bei vorliegender Untersuchung auf der Realstufe konnten keine Auswirkungen des Strategientrainings gemessen werden: Clin d'oeil - Lernende waren nicht in der Lage, Strategien erfolgreicher anzuwenden als bisherige Lernende. Daraus lässt sich folgern, dass die Lernzeit zur Förderung des Leseverstehens womöglich besser in ein Wortschatz- anstatt in das Strategientraining investiert wird.

3. Der Einsatz von authentischen Texten wird von verschiedenen Autoren für Lernende im Anfangsstadium nicht empfohlen (Nation 2000; 2006; 2015; Schmitt 2008; Dlaska/Krekeler 2009). Hu und Nation (2000) gingen der Frage nach, wie hoch die Dichte an unbekannten Wörtern in einem Text sein kann, damit ein Lernender diesen noch versteht. Aus ihren Ergebnissen folgerten sie, dass ein Lernender ungefähr 90% der Wörter verstehen muss, um einen Text entschlüsseln zu können. Weiter argumentiert Nation (2015), dass es bei weniger als 98% bekannten Wörtern schwierig wird, neue Wörter aus dem Kontext heraus zu erschliessen. Er betont, dass auch Texte für junge L1- Sprechende für Fremdsprachenlernende zu schwierig seien, da bereits ein 7-jähriges Kind mindestens 5'000 Wörter kennt. Gemäss Dlaska/Krekeler (2009) werden Lernende motiviert, wenn sie eine Aufgabe für anspruchsvoll aber lösbar halten. Somit wäre es möglicherweise gewinnbringend, authentische Texte dem Niveau der Lernenden entsprechend anzupassen. Hinweis: Auf der Passepartout-Homepage befinden sich vereinfachte Zusatzmaterialien.


4. Bei vorliegender Untersuchung war "verbindlich gelernt" verglichen mit "im Unterricht angetroffen" oder mit einer Strategieanwendung tendenziell der beste Prädiktor. So beispielsweise beim Wort "jouer" in "jouer au hockey sur glace": Clin d'oeil-Lernende, welche dieses Wort im Unterricht angetroffen, aber nicht verbindlich gelernt hatten, verstanden es schlechter als bisherige Lernende, welche "jouer" auf ihrer Wörterliste vorfanden. Solchen Fragen wurde jedoch nicht umfassend nachgegangen, weshalb keine präzisen Aussagen gemacht werden können.

Baselbieter Lehrplan mit relevanten Stoffinhalten und Themen

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Der Kanton Basel-Landschaft will den Lehrplan 21 einschliesslich seiner Kompetenzumschreibungen als Grundlage für einen Lehrplan Volksschule Baselland nutzen. Der Landrat hat am Mittwoch eine Änderung des Bildungsgesetzes einstimmig verabschiedet.
Landrat will Lehrplan mit Kompetenzumschreibungen, Basler Zeitung, 13.12.


In der Baselbieter Version des Lehrplans 21 sollen Unterrichtsziele mit Wissen und Können einschliesslich mit den zu erwerbenden Kompetenzen umschrieben werden. Die Stufenlehrpläne sollen zudem Stoffinhalte und Themen enthalten.

Die verabschiedete Änderung des Bildungsgesetzes wird der Initiative «JA zu Lehrplänen mit klar definierten Stoffinhalten und Themen» gegenüber gestellt. Diese hat der Landrat ebenfalls am Mittwoch abgelehnt.

Die Initiative des Komitees «Starke Schule Baselland» verlangt, dass Stufenlehrpläne der Volksschulen auf relevante Stoffinhalte und Themen beschränkt bleiben. Die als diffus kritisierten Kompetenzbeschreibungen sollen aus dem Lehrplan gestrichen werden.

Rückzug der Initiative angekündigt
Einen eigenen Lehrplan zu entwickeln wäre gemäss Vorlage jedoch «kostenintensiv». Zudem könne die verlangte Bestimmung «als Verbot zur Nutzung des Lehrplans 21 missverstanden werden». Der Gegenvorschlag nehme aber einzelne Anliegen der Initiative auf - etwa die «gemeinsame Festlegung und Stärkung der Bildungsinhalte mit Stoffverteilungsplänen und Umsetzungshilfen für die Sekundarschulen».

In der ersten Lesung der Änderung des Bildungsgesetzes im Landrat hatte sich auch ein Vertreter der «Starken Schule» für den Gegenvorschlag ausgesprochen. Er stellte einen Rückzug der Initiative in Aussicht. 


Gegenvorschlag besser als Initiative

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Die Starke Schule beider Basel begrüsst den einstimmigen Entscheid des Landrates, den Gegenvorschlag zur Initiative „Ja zu Lehrplänen mit klar definierten Stoffinhalten und Themen“ zu befürworten. Der Vorstand der Starken Schule beurteilt den Gegenvorschlag als bessere Lösung ein als die Initiative. Der Gegenvorschlag setzt wichtige Kernforderungen der Starken Schule um, welche nicht Gegenstand der Initiative sind:

1.     Die künftigen Lehrpläne der Volksschule enthalten ab Schuljahr 2018/19 klare definierte Stoffinhalte, Themen sowie Kompetenzbeschreibungen.
2.     Die Lehrpläne der Sekundarstufe I enthalten Jahresziele und sie sind differenziert auf die drei Leistungsniveaus A, E und P ausgerichtet. Zudem werden sie auf die weiterführenden Schulen (Berufsfachschulen, FMS, Gymnasium usw.) abgestimmt.
Starke Schule beider Basel, 14.12. Medienmitteilung
 
Betreffend Kompetenzbeschreibungen sind die Differenzen zwischen Initiative und Gegenvorschlag gering. Mit der Initiative wären die Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans 21 in einem Anhang festgeschrieben worden, mit dem Gegenvorschlag sind Stoffinhalte, Themen und Kompetenzbeschreibungen gleichgestellt. Entscheidend ist, dass mit diesem Gegenvorschlag die Stoffverteilungspläne mit den klar definierten Stoffinhalten, Themen sowie nur noch den wichtigsten Kompetenzbeschreibungen neu massgebendes Instrument werden, an welche sich die Lehrpersonen ausrichten. Der rund 550-seitige Lehrplan 21 wird gegenstandslos.

Mit der Festschreibung von Jahreszielen werden die im Lehrplan 21 vorgegebenen Zyklen (Drei-Jahresziele) auf der Sekundarstufe I aufgebrochen. Die Festschreibung von Jahreszielen erachtet die Starke Schule als zwingend, um die Harmonisierung der Schulen in unserem Kanton sicherzustellen. Dies ist notwendig, damit die Schüler/-innen von A nach B wechseln können, ohne fachlich grössere Schwierigkeiten zu erhalten.

Bislang herrschte die Tendenz, dass jeweils die untere Schulstufe vorgibt, in welcher Tiefe vorgegebene Lernziele behandelt werden. Die jeweils folgende Schulstufe musste sich nach diesen Leistungszielen richten. Die künftigen Lehrpläne der Sekundarstufe 1 werden erstmals an die Anforderungen der übergeordneten Schulen ausgerichtet.

Mit diesem Gegenvorschlag ist es der Bildungsdirektion erneut gelungen, eine für die Schulen belastende Baustelle im Bildungsbereich zu schliessen.


Lehrplan-Moratorium ungültig?

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Der Zürcher Regierungsrat will keinen Marschhalt bei der Einführung des Lehrplans 21. Der Kantonsrat soll eine entsprechende Einzelinitiative als ungültig erklären.
Zürcher Regierungsrat ist gegen Lehrplan-Moratorium, Landbote, 14.12.
Der Kantonsrat hatte die Einzelinitiative im August vorläufig unterstützt. Diese verlangt, dass der Regierungsrat die Einführung des neuen Lehrplans stoppen soll, da es dafür mehr Zeit brauche.

Nach Ansicht des Regierungsrates verstösst die Einzelinitiative gegen die Kantonsverfassung, wie es in einer Mitteilung vom Donnerstag heisst: Sie verlange nicht die Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes, sondern eine Verfügung des Regierungsrates. Die Einzelinitiative sei deshalb als ungültig zu erklären. Zudem sei für die Inkraftsetzung des Lehrplans abschliessend der Bildungsrat zuständig. «Ein rechtmässig erlassener Lehrplan kann nicht durch den Regierungsrat gestoppt werden.»

Der Regierungsrat sehe auch inhaltlich keinen Anlass, die Initiative zu unterstützen. Der Lehrplan könne auf Beginn des Schuljahres 2018/19 eingeführt werden.


Rechtschreibung im Aufsatz soll nicht mehr benotet werden

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Beurteilung der Kompetenzen in den Sprachen (Lehrplan 21): Es ist wichtig, dass in den Sprachfächern bei der Beurteilung die einzelnen Kompetenzen nicht vermischt werden. Z.B. bei einem Aufsatz soll man "Schreiben" bewerten, welches ein Bestandteil (50%) von Deutsch schriftlich ist. Keinen Einfluss auf diese Note sollte die Rechtschreibung haben. Entweder benotet man die Rechtschreibung im Aufsatz nicht oder man macht eine separate Note, welche bei "Sprache im Fokus" eingetragen und verrechnet wird. Das gleiche gilt bei den Fremdsprachen. Auch da soll berücksichtigt werden, dass man die Kompetenzen in der Beurteilung nicht vermischt, sondern jede einzelne Kompetenz separat beurteilt. Z.B. besteht eine grosse Englischprüfung letztlich möglicherweise nicht aus einer Note sondern aus 3 Teilnoten "Schreiben", "Hören" und "Sprache im Fokus".

Amt für Volksschulen und Sport Kanton Schwyz, Newsletter Dezember 2017

Wie vergleichbar sind die neuen Thurgauer Zeugnisse?

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In den vergangenen Wochen hat sich das Amt für Volksschule für die überhastete, ungenügend vorbereitete und durchgeführte Zeugniseinführung während der Sommerferienzeit mehrfach öffentlich entschuldigt. Inhaltlich bleiben noch einige Fragen offen, die es wert sind von verschiedener Seite einer breiten Diskussion zu unterstellen. Neben neuen Fächern, die ins Zeugnis aufgenommen wurden, verschwanden Geometrie und alle mündlichen Noten aus den Zeugnissen. Bei der Geometrie hat der Kanton bereits korrigiert und liess diesen Fachbereich im November im Zeugnisprogramm wieder als Einzelnote aufschalten. Erstaunlicherweise überlässt der Kanton es den Schulen, ob sie Sammelnoten setzen oder nicht. Die Schulen dürfen vor Ort entscheiden, ob sie z.B. für die Fächer Physik, Chemie, Biologie (Natur und Technik, NT), eine Sammelnote geben oder diese nach wie vor einzeln ausweisen möchten. Dasselbe gilt für die Bereiche „Gestalten" sowie „Räume und Zeiten". Dies führt dazu, dass benachbarte Schulen ganz unterschiedliche Zeugnisse ausstellen werden und die Zeugnisse innerhalb des Kantons kaum mehr vergleichbar sind.
Thurgauer Schulzeugnisse 2017/2018 - aussagekräftig und vergleichbar?, Interpellation von Urs Schrepfer u.a., 6.12.

Schulpreisspuk sofort stoppen

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Wiederum vernahm man, dass an einige Schulen sogenannte „Schulpreise“ vergeben wurden. Diese erst vor wenigen Jahren eingeführten Belohnungen bestehen aus grösseren Geldbeträgen, für die eine private Stiftung aufkommt. Wer nach den Hintergründen forscht, dem wird bald klar, dass die Fäden nach Deutschland führen, und dort findet man Verbindungen zu anderen Stiftungen und wirtschaftlichen Organisationen aller Art. Da drängen sich Fragen auf. Wie kann es sein, dass irgendwelche private Vereinigungen sich in unsere Volksschule einmischen dürfen, um verkünden zu können, was eine „gute“ Schule ist? Weshalb sind nicht längst Politiker eingeschritten und haben dieses anmassende Gebaren gestoppt? Warum lassen sich selbst pädagogische Kreise in naiver Art in das Gefüge einbinden, statt energisch zu opponieren?
Ambiente einer preisgekrönten Schule, Bild: Roman Weyeneth/Stücheli Architekten AG)
Schulpreise, 15.12. von Hans-Peter Köhli



Diese harmlos erscheinenden „Stiftungen“ handeln nicht aus Nächstenliebe. Am Ende der Kette stehen wirtschaftliche Interessen, denn bei der oft zitierten „Schulentwicklung“ geht es auch um viel Geld bei Investitionen in Millionenbeträgen. Die Volksschule soll in jene Richtung gesteuert werden, die den Stiftungen behagt, und deshalb werden natürlich nur dort Prämien ausgerichtet, wo sich die Schulen absolut linientreu im Sinne der Geldgeber verhalten. Dieser „Schulpreisspuk“ sollte deshalb sofort gestoppt werden. Erstens ist die Einflussnahme Aussenstehender grundsätzlich strikte abzulehnen. Und zweitens ist es eine riesengrosse Ungerechtigkeit, wenn viele Schulen leer ausgehen, obwohl sie tagtäglich ebenfalls sehr gute Leistungen erbringen. Ihr Pech ist nur, dass sie möglicherweise in einem schwierigeren Umfeld tätig sind, dass sie es vielleicht wagten, halt auch einmal irgendwo ein bisschen von der offiziellen Doktrin abzuweichen oder dass sie ganz einfach ihre Zeit lieber für das Unterrichten als für das Erstellen eines umfangreichen Schulpreisbewerbungsdossiers verwenden.

Handy grundsätzlich ausgeschaltet

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Cybermobbing ist auch an den Schulen im Kanton Zürich ein Thema. Mit unterschiedlichen Regeln versucht man die Schülerinnen und Schüler zu einem vernünftigen Umgang mit dem Mobiltelefon zu erziehen.
Wer mit dem Handy spielt, muss zum Putzdienst antreten, NZZ, 16.12. von Rebekka Haefeli

«Cybermobbing hat ganz klar zugenommen», sagte Jürg Forster, Leiter des Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Zürich, kürzlich in einem Interview mit der NZZ. Er war mehr als zwanzig Jahre in dieser Funktion tätig. Mobbing in den Klassen habe man heute zwar besser unter Kontrolle, weil die Lehrpersonen auf einen respektvollen Umgang und ein gutes Schulklima Wert legten. Doch in der Freizeit könnten weder die Eltern noch die Schule kontrollieren, wie Schüler übers Internet kommunizierten. «Die Gefahr, dass Einzelne auf diese Art unter Druck gesetzt werden, ist da.»

Aus dem Polizeialltag
Die Schulen im Kanton Zürich unternehmen einiges, um die Handy-Aktivitäten ihrer Schülerinnen und Schüler in vernünftige Bahnen zu lenken. Viele haben für die Handynutzung explizite Regeln eingeführt, wie eine Umfrage der NZZ ergab. Diese Regelungen fallen unterschiedlich aus: An der Kantonsschule Rychenberg in Winterthur, einem Langgymnasium, darf das Handy im Unterricht nicht benützt werden, ausser die Lehrpersonen erlauben es, beispielsweise für Recherchen. In den Pausen oder während Freistunden dürfen die Jugendlichen jedoch frei über ihre Handys verfügen. Rektor Christian Sommer erklärt auf Anfrage, besonders bei den jüngeren Schülern sei das Handy zum Spielen oder Chatten beliebt. «Für die Erstklässler organisieren wir zusammen mit der Stadtpolizei Winterthur jeweils in der fünften Schulwoche eine Art Workshop. Dabei machen wir sie auf die Gefahren aufmerksam. Die Polizisten berichten aus ihrem Alltag.» Eine Abkehr von diesen Grundsätzen stehe zurzeit nicht zur Diskussion.

Meinungsverschiedenheiten darüber, etwa mit Eltern, seien selten. «In Familien, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, spielt das Handy für die Kommunikation und Organisation eine wichtige Rolle.»

Die Kantonsschule Freudenberg in Zürich, ebenfalls ein Langgymnasium, verfolgt einen restriktiveren Kurs. Die Erst- und Zweitklässler dürfen ihr Handy im Schulhaus überhaupt nicht benützen. Als Ausnahme gilt der Fall, dass der Lehrer die Schüler während des Unterrichts beauftragt, eine Aufgabe mit dem Handy zu lösen. Erst ab der dritten Klasse dürfen die Jugendlichen das Smartphone in der Pause oder in Freistunden benützen. «Wird ein Erst- oder Zweitklässler mit dem Handy erwischt, folgt eine Verwarnung», erklärt Gabriele Franchetto vom Sekretariat der Schule. «Bei einer wiederholten Regelverletzung wird der Schüler oder die Schülerin vom Hausdienst zu einer Putzstunde aufgeboten.» Die Jugendlichen hielten sich recht gut an die Vorschriften, und die Mehrheit der Eltern unterstütze dieses Vorgehen. «Wenn sie dringend etwas mit den Eltern besprechen müssen, dürfen die Schüler jederzeit ins Sekretariat kommen zum Telefonieren.»

Auch die Volksschule passt sich an
An der Volksschule in der Stadt Zürich gilt seit dem Schuljahr 17/18 eine neue Regelung in der Hausordnung, wie Regina Kesselring, Kommunikationsleitern des Schulamtes, ausführt. Die Volksschule umfasst den Kindergarten, die Primarschule von der ersten bis zur sechsten Klasse sowie die Sekundarschule. Neu heisst es in der Hausordnung: «Mobiltelefone und andere elektronische Geräte dürfen von Schülerinnen und Schülern im Schulhaus und auf den Aussenanlagen nur zu schulischen Zwecken genutzt werden. Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Schulpersonals müssen die Geräte ausgeschaltet und nicht sichtbar versorgt sein.» Bis zum Beginn des laufenden Schuljahres hatte ein grundsätzliches Handy-Verbot gegolten. Dieser Grundsatz gilt zurzeit noch an der Volksschule in Winterthur. «Handys sollen während des Unterrichts und in den Pausen grundsätzlich ausgeschaltet sein», lautet dort die Regelung, wie Stadtrat Jürg Altwegg erklärt. Die Lehrpersonen könnten das Handy jedoch für den Unterricht einsetzen, wenn sie dies für sinnvoll erachteten. Man denke zurzeit über eine Anpassung nach. «Es wird darum gehen, Richtlinien für eine zeitgemässe und sinnvolle Nutzung zu definieren.»

Unheimliche Eigendynamik
Bestimmungen, die in die Hausordnung einfliessen, können ein Instrument sein, um die Schüler zur vernünftigen Handy-Nutzung zu erziehen. Trotzdem sind Fälle von Cybermobbing nie auszuschliessen. Daniele Lenzo von der Fachstelle für Gewaltprävention der Stadt Zürich wird in Schulen gerufen, wenn ein Cybermobbing-Fall bekanntgeworden ist. Dann gilt es den Schaden zu begrenzen. «Selten gibt es nur einen einzelnen Täter oder eine einzelne Täterin. Die Dynamik erfasst manchmal ganze Klassen, Schulen oder Quartiere.» Schülerinnen und Schüler mobben, indem sie beleidigende Nachrichten verschicken oder entwürdigende und peinliche Fotos streuen. Auf diese Art landen die delikaten Inhalte schnell einmal auf Millionen von Handys und in sozialen Netzwerken. Die Verbreitung lässt sich nicht mehr stoppen. Daniele Lenzo sagt, es sei wichtig, Hintergründe zu vermitteln. «Viele Jugendliche sind sich nicht bewusst, dass das Versenden von Gewaltvideos oder Nacktfotos strafrechtliche Folgen haben kann.»


Christian Bochsler ist ehemaliger Primarlehrer und heute Spezialist für Gewaltprävention an Schulen. Er sagt, das Wichtigste sei, dass die Schulen bei den Jugendlichen Vertrauen weckten. Die Schülerinnen und Schüler sollten wissen, dass sie sich bei Mobbing melden könnten und Unterstützung bekämen. «Mobbing passiert häufig sehr lange im Versteckten, etwa in geschlossenen Klassenchats, und es dauert mitunter sehr lange, bis Erwachsene davon etwas mitbekommen.» Die Schulen müssten sich durch Weiterbildungen oder den Beizug von Experten Instrumente aneignen, um gegen Mobbing vorzugehen.

Migranten mit mehr Mühe

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Kinder von Zuwanderern haben mehr Mühe mit weiterführenden ­Schulen oder der Lehre als Schweizer Kinder. Schuld daran sind häufig ihre Eltern.

Bildung: Migration ist ein ­Stolperstein, Sonntagszeitung, 17.12. von Nadja Pastega


Wenn die Noten nicht genügen, es in der Lehre nicht läuft, ist der Streit mit den Eltern programmiert. «Mach doch ein Zwischenjahr», heisst es dann oft. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass das Kind später fit ist für die Mittelschule oder eine anspruchsvolle Lehre.
Das Problem gilt für Schweizer wie Ausländer – wobei für Letztere offenbar deutlich mehr, wie erstmals eine Studie der Universität Bern zeigt. Forscher untersuchten, wie viele Kinder aus Schweizer und Ausländerfamilien den Anschluss in die Sekundarstufe II nicht schaffen. Zu dieser Ausbildungsstufe gehören die Berufslehre, Gymnasien und Fachmittelschulen.

Die Bildungsforscher haben die Laufbahn von 13'000 Schulabgängern untersucht. Ergebnis: Kinder von Zuwanderern bleiben auf der Sekundarstufe II häufiger sitzen, fliegen aus der Lehre oder dem Gymnasium, brechen selber ab oder machen ein Zwischenjahr, statt die weiterführende Ausbildung sofort zu beginnen.

15-Jährige Migrantenkinder liegen ein Jahr zurück
46 Prozent der Migranten-Jugendlichen gehören zu diesen Sitzenbleibern und Abbrechern oder absolvieren ein zehntes Schuljahr, hat die Studie ermittelt. Bei den Schweizern sind es 31 Prozent. «Diese Differenz von 15 Prozentpunkten ist massiv», sagt Stefan Wolter, Professor für Bildungsökonomie an der Universität Bern und Co-Autor der Studie. «Sie bedeutet, dass bei den Ausländern im Vergleich zu den Schweizern jährlich 3000 bis 4000 Schulabgänger mehr den Direkteinstieg in die ­Sekundarstufe II nicht schaffen. Sie geraten bereits ein Jahr nach der Volksschule in Rückstand.»

Dass Kinder aus Zuwandererfamilien öfter straucheln als einheimische, lasse sich vor allem mit «Kompetenzunterschieden» erklären, schreiben die Studienautoren. Wie gross diese sind, hat der Pisa-Schülertest bei den Neuntklässlern gezeigt. Demnach liegen 15-Jährige mit Migrationshintergrund im Schnitt mit ihren Leistungen ein Schuljahr hinter den einheimischen Schülern.

Balkan-Jugendliche wählen realistischere Wege
Hinzu kommen «überzogene Bildungsaspirationen» von ausländischen Eltern, sagt Bildungsforscher Wolter. «Sie schicken ihre Kinder öfter als Schweizer Eltern ins Gymnasium oder wählen eine anspruchsvolle Lehre, auch wenn ihre Kinder dafür nicht genügend qualifiziert sind.»

Doch es gibt Unterschiede zwischen den Einwanderungsnationen. So fanden die Forscher bei der Misserfolgsquote der Balkan-Jugendlichen kaum Unterschiede zu den Schweizern. Sie wählen offenbar realistische Bildungswege.

Anders die Portugiesen und die «neuen» Zuwanderer aus Deutschland, Frankreich und Österreich. «Sie sitzen deutlich öfter ein Zwischenjahr ab», sagt Wolter. «Ein Schweizer Kind, das durchschnittliche Noten hat, geht in die Lehre. Bei einem deutschen Kind, das durchschnittliche Schulleistungen hat, sagen die Eltern: Mach ein Zwischenjahr. In der Hoffnung, dass es dann mit dem Gymnasium oder der Informatiklehre klappt.»

45 Millionen Franken direkte Bildungskosten mehr
Neben den überrissenen Erwartungen führt auch Uninformiertheit dazu, dass Ausländer für ihre Kinder die falsche Laufbahn wählen. Sie kennen das Schweizer Bildungssystem oft zu wenig und unterschätzen die Berufslehre. «Es braucht eine bessere Beratung der Eltern, um sie davon abzubringen, zu viel für ihr Kind zu wollen», sagt Stefan Wolter. «Mit Information kann man ihnen helfen, sich mit realistischen Zielen für ihren Nachwuchs abzufinden.»

Das lohnt sich auch für den Staat. Ein Jahr Beschulung kostet in der Schweiz rund 15'000 Franken pro Schüler. «Bei 3000 bis 4000 Schülern aus Ausländerfamilien, die ein Jahr länger in der Ausbildung sind als nötig, ergibt das für den Staat jährlich 45 Millionen Franken an direkten Bildungskosten», sagt Wolter. «Hinzu kommen Steuerausfälle, weil diese Jugendlichen ein Jahr weniger im Arbeitsleben stehen.»

Umgerechnet entgehen dem Fiskus rund 36 Millionen Franken, sagt Wolter. «Insgesamt ergibt das potenziell vermeidbare staatliche Kosten von rund 80 Millionen Franken – pro Jahr.» 


Urner Heimatkunde

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Der Kanton Uri stellt ein digitales Lehrmittel zur Verfügung, das auch für andere Kantone von Interesse sein dürfte. Von den vier Themen sind momentan deren zwei fertiggestellt (Korporationen und Wilhelm Tell). Zwei weitere sollen nachfolgen (Reusstal als Verkehrsachse, Gotthardpass).
Das Lehrmittel ist abrufbar unter www.urwegs.ch

Neue Zeugnisse sorgen für Ärger

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Seit diesem Schuljahr gibt es im Thurgau neue Zeugnisse. Sie sind an den Lehrplan 21 angepasst. Darin gibt es keine ­mündlichen Noten mehr und nicht alle Schulen müssen die Fächer gleich aufteilen. Lehrer und Politiker wehren sich.
Ärger mit neuen Schulzeugnissen, St. Galler Tagblatt, 17.12. von Larissa Flammer

Die nervöse Anspannung am letzten Schultag des Semesters, das Kribbeln im Bauch – bis man die Zeugnisnoten endlich in Händen hält. Nur: in diesem Schuljahr dauert es vielleicht etwas länger, bis man den Sinn des Geschriebenen erfasst. Mit dem neuen Lehrplan Volksschule Thurgau hat der Kanton diesen Sommer auch neue Zeugnisformulare eingeführt. Die wesentlichen Änderungen auf Sekundarstufe I sind in der Tabelle unten dargestellt. Der Hauptunterschied liegt darin, dass es keine mündlichen Noten mehr gibt.
«Wir sind aus allen Wolken gefallen, als in den Sommerferien das Mail vom Kanton gekommen ist», sagt Anne Varenne, Präsidentin von Bildung Thurgau. Die Berufsorganisation der Thurgauer Lehrerinnen und Lehrer war davon ausgegangen, dass die Neuerungen erst in einem Schulversuch getestet werden. So habe es der Regierungsrat aufgrund der Rückmeldungen in der Vernehmlassung entschieden. An den Jahrestagungen der Lehrer im Herbst hat sich Beat Brüllmann, Chef des Amts für Volksschule, für die misslungene Kommunikation entschuldigt und versucht, alle Fragen zu klären. «Das haben wir sehr geschätzt», sagt Varenne.

Den Schulversuch gibt es trotzdem. Bis im Winter 2019 testen 80 Lehrpersonen im Kanton unter anderem Kompetenzprofile, die den Zeugnisnoten beigelegt werden sollen. Bildung Thurgau ist in den Schulversuch mit einbezogen und wird danach auch an der Analyse beteiligt sein. Die neu geschaffene Regelung ist also eine Übergangslösung. Im Sommer 2021 wird eine neue kantonale Beurteilungsgrundlage eingeführt.

Politik schaut während der ­Erarbeitung genau hin

Nach den Sommerferien sind die Irritationen über die neuen Zeugnisse «sehr geballt» aufgetreten. Die Präsidentin von Bildung Thurgau sagt: «An den Elternabenden mussten die Lehrpersonen über die Neuerungen informieren, wussten aber selber nicht genau, wie diese umgesetzt werden.» Ihr erster Kritikpunkt betrifft die Einschätzungsskala für die 1. und 2. Klasse. Anstelle von Noten hiess es dort bisher: «Lernziele sehr gut erreicht», «gut erreicht», «erreicht» oder «nicht erreicht». Neu gibt es nur noch drei Abstufungen. «Wir haben uns vehement dagegen gewehrt. So werden die meisten Schülerinnen und Schüler in der Mitte eingestuft», sagt Varenne. Da es trotzdem so eingeführt wurde, fühlen sich die Lehrer nicht ernst genommen.

Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die fehlenden mündlichen Noten in den Sprachen. «Für gewisse Berufsgruppen sind diese wichtig.» Bildung Thurgau äussert zudem Bedenken zur Zusammensetzung der neuen Gesamtnote. Da mündliche Noten aufwendiger zu erheben sind, kann eine Gesamtnote dazu verführen, nur noch schriftliche Leistungen zu bewerten.
Der dritte Kritikpunkt zielt auf die Möglichkeit der Schulgemeinden, auf Sekundarstufe I in Eigenregie Sammelnoten zu setzen. Physik, Chemie und Biologie können zu «Natur und Technik» zusammengefasst werden, Geografie und Geschichte zu «Räume, Zeiten, Gesellschaften» und Bildnerisches, Textiles sowie Technisches Gestalten zu «Gestalten». Ein Schreinermeister kann sich also nicht sicher sein, dass sein Lehrling gut mit Holz umgehen können wird, nur weil er im Fach Gestalten die Note 5,5 hatte. Diese könnte mit guten Leistungen im Zeichnen oder Nähen zustande gekommen sein. «Wir wollen, dass die Zeugnisse im ganzen Kanton gleich aufgebaut sind», betont Anne Varenne.

Aufgrund der Kritik hat das Amt für Volksschule im September bereits eine Anpassung an den Zeugnissen vorgenommen. Eigentlich hätte die Note für Geometrie wegfallen sollen. Das Amt schrieb in einer Mitteilung: «Im Hinblick auf die Lehrstellensuche können differenzierte Aussagen über die Leistungen in Geometrie von Bedeutung sein.» Auf Sekundarstufe I ist dieses Fach also wieder im Zeugnis vertreten.

Beat Brüllmann erklärt: «Mündliche und schriftliche Noten sind nicht mehr kompatibel mit dem neuen Lehrplan.» Dieser sehe die Beurteilung mit Gesamtnoten vor, welche nach dem Schulversuch allenfalls mit Kompetenzen ergänzt werden können. Bis dahin können die Noten in der Spalte «Bemerkung» differenziert werden. Vier Jahre nach der Einführung des Lehrplans will der Kanton ein Zeugnis haben, das alle mittragen. «Wir fragen auch, was das Gewerbe braucht.» Angestrebt wird ein kantonsweit einheitliches Zeugnis, auch wenn dem in der Übergangsphase nicht so ist.

«Thurgauer Schulzeugnisse – aussagekräftig und vergleichbar?» Diese Frage stellen sichauch sechs Kantonsräte aus SVP, GP, FDP, CVP und SP. Sie bitten den Regierungsrat in einer Interpellation um Antworten zu den Sammelnoten und der Vergleichbarkeit der Zeugnisse. Brüllmann sagt: «Diese Interpellation ist eine Chance für uns.» So hören die Verantwortlichen bereits während der Erarbeitungsphase, was die Politik dazu sagt. «Damit gibt es eine Lösung, die politisch auch tragfähig ist.» Eine, die nicht erst nach Inkrafttreten durch Vorstösse wieder geändert werden muss.


Hoffnungsschimmer

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Im Moment fliegen Gemeinderat Cédric Némitz die Sympathien nur so zu. Der kulturkonservative Ü60-Club liebt ihn ob seines Einsatzes für das üppig subventionierte Tobs. Der Mittelstand in Beaumont schätzt es, wenn ihm mit der Fibi eine staatlich subventionierte Privatschule geboten wird, und die Hardcore-Linke ist froh, dass es mit der Auslagerung der städtischen Altersheime nicht geklappt hat. Ja, und nun reiht sich auch der Schreiber dieser Zeilen in den Chor dieses bunten Fanclubs ein. Und das ganz ohne Ironie – versprochen! Als Cédric Némitz die Nachfolge seines glücklosen Parteikollegen Pierre-Yves Moeschler antrat, lag in der Bieler Schullandschaft einiges im Argen. Zusammen mit seinem damaligen Vorsteher des Schulamtes, dem hochintelligenten Peter Walther, sorgte Moeschler für eine Sitzungskakophonie und Konzeptionitis in den Bieler Schulen, die es in sich hatte. Die Romands konnten nur noch mit einem Supervisor bei Stange gehalten werden und die Eigeninitiative der Schulen drohte in einem Wulst von Regulierungsbemühungen völlig zu erstarren.
Ein kluger Entscheid, Bieler Tagblatt, 18.12. von Alain Pichard




Cédric Némitz hatte dies bei Amtsantritt alles sehr schnell erkannt. Mit wenigen, aber effektiven Massnahmen brachte er die Bieler Schulen wieder auf Kurs. Am Anfang stand ein wichtiger Personalentscheid. Er trennte sich von Peter Walther und stellte stattdessen Reto Meyer als neuen Amtsvorsteher an. Und dieser Reto Meyer erwies sich als ein Glückstreffer für die Bieler Schulen. Seine coole Art kommt gut an. Die beiden harmonieren prächtig. Die Zahl der Sitzungen wurde zurückgeschraubt, die Konzeptschublade entschlackt, den Schulen wieder mehr Eigeninitiative zugestanden. Die jungen Sport- und Kulturtalente wurden nicht mehr nur im Zentrum unterrichtet, sondern auch auf ein Aussenquartier verteilt, was die ungleiche soziale Verteilung der Schüler etwas linderte. Sogar die Schulraumplanung klappte wieder. Meyers Vertrauen in die Schulleitungen wird ihm mit Innovation zurückbezahlt. Die Oberstufenzentren arbeiten auch ohne strukturellen Druck so gut zusammen wie noch nie. Die Lehrkräfte der Brennpunktschule Mett-Bözingen haben in einer Retraite einen regelrechten Kulturwandel beschlossen und konsequent umgesetzt. Späterer Schulbeginn, Abschalten der Pausenglocken, Einführung von Mischklassen, anspruchsvolle Leseprojekte und vieles mehr führten dazu, dass diese Schule heute als Modellschule mit nationaler Ausstrahlung gilt. Als Erziehungsdirektor Bernhard Pulver sie im Mai besuchte, war er begeistert. Und auch ich habe meine ersten zarten Schritte wieder auf Bieler Boden gemacht. Seit Schulbeginn unterrichte ich vier Lektionen in dieser Schule, in welcher meine Berufskarriere vor 40 Jahren begonnen hatte. Ich traf dort neben einigen älteren Kollegen vor allem auf viele jüngere Lehrkräfte, die eine verschworene Truppe bilden und Freude an ihrem Beruf haben. Eine Folge der pädagogischen Freiheit, die man diesem Kollegium gewährte. Das sind gute Nachrichten für Biel, von denen leider viel zu wenige Kenntnis nehmen. Und das ist auch ein Verdienst des Duos Némitz und Meyer.

Meister in der Individualisierung und Differenzierung

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Reaktion auf Michael Pedrazzis Gastkommentar von Regina Jäkel Pacchiarini und Lukas Flüeler. Die beiden bekleiden das Co-Präsidium der Primarlehrerkonferenz Baselland AKK.
Impertinente Vorwürfe, Basellandschaftliche Zeitung, 18.12. von Regina Jäkel Pacchiarini und Lukas Flüeler


Dass die «Starke Schule Baselland» von Anfang an versucht hat, jegliche Neuerung im Schulsystem des Kantons mit einer Flut von Initiativen zu verhindern, dürfte mittlerweile allgemein bekannt sein. Dass sie sich nun aber, nachdem sie sich für «ihre» Regierungsrätin Monica Gschwind so stark gemacht hat, darüber beschwert, dass nach der Wahl des von ihr portierten Mitglieds der FDP der Einfluss der Wirtschaft in der Schule gestiegen ist, überrascht doch ein wenig. Deshalb müssen wir an dieser Stelle auf den Gastkommentar von Michael Pedrazzi im Namen der Primarlehrerkonferenz Baselland AKK eine Replik anbringen.

Das angesprochene Auftreten der Pubertät geschieht, egal welche Schulstufe die Kinder und Jugendlichen besuchen. Lehrpersonen der Primarstufe wissen dem sehr wohl professionell zu begegnen. Der Vorwurf eines Sekundarlehrers an die Primarlehrpersonen, mit der Heterogenität in ihren Klassen nicht fertig zu werden, wirkt schon etwas eigenartig, vielleicht sogar impertinent. Sind es doch die Lehrpersonen auf der Primarstufe, die Meister in der Individualisierung und Differenzierung sind. Was Herr Pedrazzi in seinem Beitrag auslässt, ist die Tatsache, dass sich die Lehrpersonen der Primarstufe in den letzten Jahren intensiv und aufwendig auf das Unterrichten der beiden Fremdsprachen vorbereitet haben. Daneben hatten die Lehrpersonen der 6. Klassen, nicht zuletzt auf Initiative der Primarlehrerkonferenz Baselland hin, die Gelegenheit, sich in einem mehrtägigen Kurs auf ihre neuen Aufgaben und den neu zu unterrichtenden Stoff vorzubereiten.

Herr Pedrazzi weist weiter auf den, aus seiner Sicht und Erfahrung, fehlenden Lernstoff hin. Dazu ist festzuhalten, dass sich die Primarlehrpersonen von Anfang an dafür eingesetzt haben, den Volksentscheid für den neuen Lehrplan umzusetzen. Somit ist dieser Lehrplan in allen acht Jahren der Primarstufe verbindlich. Und nicht der diesbezüglich noch sehr schmale Erfahrungsschatz einzelner Lehrpersonen der dreijährigen Sekundarschule. Wenn es zu Unstimmigkeiten in Bezug auf den Lehrplan der Sekundarstufe gekommen sein sollte, wäre dies allein auf die negativen Anstrengungen der «Starken Schule Baselland» zurückzuführen, die eine konsekutive Einführung des Volksschulen-Lehrplans auf der Sekundarstufe verhindert hat. Was wiederum dazu geführt hat, dass notfallmässig ein Übergangslehrplan für die Sekundarstufe erstellt werden musste.

Pauschalkritik an allen neuen Unterrichtsmethoden
Natürlich unterlässt es Herr Pedrazzi auch in diesem Artikel nicht, die neuen Unterrichtsmethoden wie selbstorganisiertes Lernen und die neuen Sprachlehrmittel zu kritisieren. Es sind aber genau diese Methoden, die Individualisierung und Differenzierung ermöglichen. Unterricht wie zu Gotthelfs Zeiten, als Lehrer allwissend waren, und Schülerinnen und Schüler unwissende, zu füllende Gefässe, ist längst hinfällig. Heute hat eine Schülerin oder ein Schüler die im Unterricht vermittelten Stoffinhalte schneller mit Bild und Ton im Handy gefunden, als die Lehrperson den Unterricht überhaupt vorbereiten konnte. Gefragt sind also neue Unterrichts- und Lernmethoden. Sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen ist Teil des neuen Lehrplans. Dies und die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die zu erwartenden Veränderungen gehören somit zur Aufgabe jeder Lehrperson.
Insgesamt bleibt unklar, was genau Herrn Pedrazzis Anliegen ist. Einerseits weist er auf die hohe Gymnasialquote im Kanton Baselland hin, andererseits fordert er die Primarlehrpersonen dazu auf, weniger Schülerinnen und Schüler den Niveaus E und P zuzuweisen und droht mit höheren Durchfallraten oder Bildungsabbau. Dies würde bedeuten, dass der von 21 Kantonen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein beschlossene Lehrplan den Anforderungen der Sekundarschule Baselland nicht gerecht würde.


Gezielt angestrebter Paradigmenwechsel

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In allen Zeitungen war es dieser Tage zu lesen: Der Regierungsrat des Kantons Zürich will also nach wie vor den Lehrplan 21, der über Jahre mit strengster Geheimhaltung unter Verschluss gehalten wurde, auf den nächsten Sommer hin verbindlich für alle Schulen einführen. Damit bleiben die involvierten Amtsstellen, Entscheidungsgremien und Bildungspolitiker dabei, dass die kantonale Schulhoheit in so wichtigen und grundlegenden Fragen nur noch Sache der Obrigkeit sein soll und nicht mehr gut schweizerisch-demokratisch, zusammen mit dem betroffenen Volk, diskutiert oder gar entschieden werden soll. Der gewählte amtliche Verordnungsweg verunmöglicht denn auch weitgehend, sowohl gegen das obrigkeitliche Vorgehen, also die geplante diskussionslose Einführung, als auch gegen inhaltliche Fragwürdigkeiten der Vorlage Einsprache zu erheben.
Zur Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Zürich, 19.12. von Kurt Scherrer


Die Tatsache, dass der Lehrplan 21 zwar eine besonders happige und grundlegend umwälzende, aber keineswegs die erste Reform im Bildungswesen ist, die ursprünglich in wesentlichen Punkten aus der Küche der OECD stammt, können selbst namhafte Schweizer Bildungspolitiker nicht mehr länger bestreiten, seitdem die NZZ diese Zusammenhänge kürzlich zweifelsfrei aufgedeckt hat. Damit ist endlich klar belegt, dass tatsächlich viele der im grossen Stil in diversen Ländern teils geplanten, teils bereits umgesetzten Umwälzungen im Bildungsbereich nicht einfach logische Fortsetzungen sind von historisch gewachsenen Entwicklungen, sondern gezielt angestrebte Paradigmenwechsel von einseitigen und mächtigen wirtschaftlichen Interessengruppierungen. Wirtschaftliche Interessen, sprich Geld, Macht und Gewinnmaximierung möchten das Zepter übernehmen. Nicht mehr bestmöglich ausgebildete Kinder mit breitem Allgemeinwissen und kritischem Denken, die als spätere mündige Bürger die demokratische Basis der politischen Arbeit und des Sozialstaates bilden sollen, stehen im Vordergrund –– so wie es einst die Gründerväter des Schulobligatoriums für alle postuliert hatten. Wer weiss denn heute überhaupt noch, dass das erklärte Ziel des eingeführten allgemeinen Schulobligatoriums darin bestand, die künftigen Bürger dahingehend zu bilden und zu schulen, dass sie befähigt werden, sich in Sachvorlagen wie politischen Fragen eine eigene, unabhängige Meinung bilden zu können, um so ihre Aufgabe und Mitverantwortung als Staatsbürger wahrnehmen zu können. Aber nein, offensichtlich sind heute nicht mehr Denken, schon gar nicht mehr kritisches, und nicht mehr Argumentieren und Mitreden gefragt. Auch stehen augenfällig nicht mehr politische Fragen und Sachvorlagen eigenständig und unabhängig zu prüfen, zu hinterfragen und notfalls ablehnen zu können im Vordergrund. Nein, vor allem Funktionieren sollen die kommenden Generationen von Werktätigen und Konsumenten. Eine kleinere Kaste gut geschulter, elitärer Gruppierungen von macht- und geldgierigen Profiteuren werden dann die Massen schon richtig führen.

Ein pessimistisches Zukunftsbild? Die Zeichen der Zeit sind da: Die Schere der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede öffnet sich seit Jahren, Privatschulen boomen, viele Eltern beobachten schon lange mit Unbehagen die zunehmenden Qualitätsmängel in den öffentlichen Schulen, viele Lehrerinnen und Lehrer werden eingedeckt mit fragwürdigen Aufgaben und Arbeiten, werden in der Ausübung ihres Bildungsauftrags und Kerngeschäfts bezüglich Unterrichten sowie Schüler- und Elternarbeit massiv behindert und reiben sich zunehmend auf, der Sozialstaat kommt langsam an seine Grenzen, usw., um nur einige Beispiele zu nennen.

Darum: Das Volk soll am 4. März an die Urne und mit der Annahme der Mitsprache- und Mitbestimmungsinitiative in Bildungsfragen seinen Anspruch auf die verbrieften Bürgerrechte unterstreichen und einfordern. Warum nur möchte denn der Regierungsrat und mit ihm die Bildungsbehörden die längst fällige öffentliche Diskussion und demokratische Volksbefragung zu grundlegenden Fragen des öffentlichen Bildungswesens verhindern? Wirklich gut Ding will nach wie vor Weil haben, die Einführung eines neuen Lehrplanes eilt doch überhaupt nicht! Oder was soll denn diesmal nicht öffentlich auf den Tisch kommen? Volksschule heisst nicht nur: Eine Schule fürs Volk. Es bedeutet ebenso auch: Die Schule des Volkes!



Mehr Heilpädagogen = Mehr Belastung

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Die Bildungsverantwortlichen des VPOD verlangen die Anstellung zusätzlicher Heilpädagogen, um die Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten, die nach dem Modell der Integrativen Schule unterrichten. (Das Leiden der Lehrer, BaZ 12.12.17) Wie sich jedoch gezeigt hat, verursacht die Aufstockung des Lehrkörpers für die Klassenlehrperson vielmehr zusätzliche Mehrarbeit. Die Klassenlehrerin ist es nämlich, die der Heilpädagogin den Unterrichtsstoff für die zu betreuenden Schüler erstellen und erläutern muss.
Gescheitertes Schulmodell, Basler Zeitung, 19.12. von Arnold Fröhlich


Je mehr Heilpädagogen in die Klasse kommen, um mit jenen Kindern zu arbeiten, die dem normalen Unterricht nicht ohne zusätzliche Hilfe folgen können, desto mehr Absprachen und Ausarbeitungen individueller Stoffprogramme fallen für die Klassenlehrperson an. Ganz abgesehen davon, dass jene Schüler die basalen Unterrichtsinhalte verpassen, die mit der Klasse während der Zeit durchgenommen werden, in der die Heilpädagogin mit ihnen arbeitet. Das Defizit der schwächeren Schüler verringert sich daher nicht. Was, logische Folge, noch zu mehr sonderpädagogi-schen Massnahmen und ergo dem Ruf nach noch mehr Lehrpersonal führt.

Zudem wird das Problem mit verhaltensauffälligen Schülern, die den Unterricht konstant stören, mit vielleicht zwei wöchentlichen heilpädagogischen Separatstunden keineswegs gelöst. Diese Schüler stellen im Normalunterricht für die Klassenlehrerin nach wie vor eine grosse zusätzliche Belastung dar. Wie eine Befragung von Lehrpersonen, die das Handtuch geworfen haben, ergeben hat, stellen die der Integrativen Schule zuzurechnenden Belastungen einen Hauptgrund für den Ausstieg aus dem Lehrberuf dar.

Statt noch mehr «pädagogisches Personal» in einer Schulklasse intervenieren zu lassen, müsste zugegeben werden, wie eines der ursprünglichen ideologischen Ziele der Integrativen Schule nicht nur verfehlt, sondern in sein Gegenteil verkehrt worden ist: Kein lernbehindertes Kind sollte sich ausgeschlossen, sondern im Sinne der Chancengleichheit vielmehr als gleichwertig integriert fühlen. Das war die Botschaft einer egalitären pädagogischen Philosophie. Die angesichts der manifesten pädagogischen Schwierigkeiten nun erhobene Forderung nach einer weiteren Aufstockung des Lehrpersonals ist letztlich das Eingeständnis des Scheiterns dieser Schulreform.

Denn in der Regelklasse wird einem Kind mit Lernschwierigkeiten durch die Absonderung während der Zeit mit der Heilpädagogin sein Status als «Spezialfall» erst recht bewusst. Nicht selten erlebt dieses Kind sein Defizit im Vergleich mit den Schulkameraden in mehr Fachbereichen, als das in einer Kleinklasse der Fall ist. In einer Kleinklasse gehört ein lernbehinderter Schüler vielleicht in einem Fach zu den Besten. In der Integrativen Klasse hingegen empfindet er sich in den Augen der Mitschüler oft einfach als der Dumme, was dem Selbstwertgefühl Abbruch tut. Schülerinnen und Schüler sollen gemäss ihren geistigen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten und Defiziten geschult werden. In der Integrativen Schule ihren individuellen Bedürfnissen mit noch mehr Lehrpersonal gerecht werden zu wollen, ist illusorisch und ideologisch verblendet. Dieses in der Praxis gescheiterte pädagogische Modell gehört abgeschafft.

Dr. Arnold Fröhlich war Dozent im Fachbereich Pädagogik an der Universität Freiburg (CH ) und zuletzt an der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz in Luzern.


Wird externe Evaluation abgespeckt?

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Zum Qualitätsmanagement der Aargauer Volksschulen gehört die Externe Schulevaluation (ESE). Im Auftrag des Kantons überprüft dabei die Fachstelle der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz Qualität und Funktionstüchtigkeit der einzelnen Schulen im Aargau. Jede Schule wird bisher alle sechs Jahre von einem Evaluationsteam besucht. Das Team prüft die Schule aus einer unabhängigen Sicht; dies geschieht durch Interviews, Beobachtungen und durch die Analyse von Dokumenten.
Viel Aufwand, wenig Nutzen: Wird die externe Schulevaluation gestrichen? Aargauer Zeitung, 19.12. von Jörg Meier


Am 21. November 2017 hat der Grosse Rat beschlossen, dass die Kosten der Evaluation von 1,68 Millionen Franken für 2018 künftig auf 1,32 Millionen gesenkt werden müssen. Dies wird durch eine simple Massnahme erreicht: Die Schulen sollen nicht mehr alle sechs, sondern nur noch alle 9 bis 10 Jahre evaluiert werden.
Doch FDP-Grossrätin Sabina Freiermuth genügt diese Reduktion nicht. Ihre Kritik an der Externen Schulevaluation ist grundsätzlicher Art: «Der zusätzliche Aufwand der Schulen für die Evaluation ist enorm und steht in keinem Verhältnis zum Ertrag», sagt sie. Letztlich resultiere für die eigentlichen Hauptpersonen in den Klassenzimmern – die Schülerinnen und Schüler – kaum ein Mehrwert.

Neues Konzept verlangt
Freiermuth bemängelt auch, dass bei ausgewiesenen Problemen, also bei «orangen» oder gar «roten Ampeln» zu wenig konsequent gehandelt werde. «Es ist nun an der Zeit, die Externe Schulevaluation nach zwei durchgeführten Zyklen zu überdenken und die Verfahren anzupassen», fordert Freiermuth. So könnte etwa die Überprüfung von unproblematischen Schulen künftig mittels standardisierter elektronischer Umfragen durchgeführt werden. Verhindert werden sollen auch bürokratische Leerläufe: «Es darf nicht mehr vorkommen, dass im Frühling eine Schule evaluiert wird, die im Sommer ohnehin geschlossen wird», wundert sich Freiermuth.

Eine Neubeurteilung sei auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Veränderungen im Zusammenhang mit dem Projekt «Neue Ressourcierung der Volksschule» und der Einführung des neuen Aargauer Lehrplans angebracht. Deshalb hat die FDP-Grossrätin eine Motion eingereicht, welche verlangt, dass die Regierung eine neue Leistungsvereinbarung über die Schulevaluation mit der Pädagogischen Fachhochschule aushandelt. Angestrebt wird ein einfacheres, effizienteres Konzept, das Problemfälle eindeutig offenlege und bei diesen gezielt und verbindlich agiere.
Nach Ansicht der Motionärin wäre das verschlankte Konzept der Externen Schulevaluation auch deutlich günstiger zu haben, als es die heutige Form ist.
Sabina Freiermuths Vorstoss findet quer durch alle Parteien breite Zustimmung. So haben alle Fraktionen im Grossen Rat – mit Ausnahme der SVP-Fraktion – die Motion der Freisinnigen unterzeichnet.


Zürcher 5. Klässler erhalten Tablet

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Die Stadtzürcher Volksschule soll die Schülerinnen und Schüler adäquat auf die zukünftigen digitalen Anforderungen vorbereiten: Der Stadtrat hat für einen weiteren Ausbau der Schulinformatik Ausgaben von 12,3 Millionen Franken bewilligt.
Lehrplan 21: Zürcher Stadtrat rüstet Primarschulen mit Tablets aus, sda, 20.12.


Vor 15 Jahren startete das Projekt KITS (Kommunikations- und Informations-Technologien für die Schulen) mit ersten Computern. KITS 2 und KITS 3 trieben die Weiterentwicklungen im digitalen Bereich voran. Heute sind in der Stadt Zürich alle Schulen mit Notebooks, effizienter Netztechnologie und WLAN ausgerüstet.

Nun erfordern die vom Lehrplan 21 vorgegebene Kompetenzvermittlung in Medien und Informatik sowie die gesellschaftlichen Entwicklungen weitere Schritte in der ICT-Ausrüstung der Schulen und in der Weiterbildung des Schulpersonals, wie der Stadtrat am Mittwoch mitteilte.

Schüler erhalten persönliches Tablet
Mit der Einführung des Lehrplans 21 im Schuljahr 2018/2019 erhalten die Schülerinnen und Schüler sämtlicher 5. Klassen ein persönliches Tablet. Ab dieser Stufe ist "Medien und Informatik" neu als Fach im Stundenplan verankert. Am Ende der 6. Klassen müssen die mobilen Geräte zurückgegeben werden.

Auch in den Betreuungslokalen in den Schulen will der Stadtrat computertechnisch aufrüsten: Immer mehr Kinder und Jugendliche würden familienergänzende Betreuungsangebote nutzen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung sei es notwendig, dass auch dort die notwendige Infrastruktur vorhanden sei - etwa zum Erledigen von Hausaufgaben oder für administrative Vorgänge.


Ein unqualifizierter Rundumschlag

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Ob das Duo Regina Jäkel Pacchiarini und Lukas Flüeler wirklich für seine Basisspricht, wenn es die «Starke Schule Baselland» abqualifiziert oder naiv der IT-Branche auf den Leim kriecht? Die Breitseite zeugt zunächst von geringem Demokratieverständnis. Wichtige Anliegen der Starken Schule, zum Beispiel die Rettung der kaufmännischen Vorbereitungsschule, fanden grosse Zustimmung beim Stimmvolk. Pacchiarini/ Flüeler behaupten, die Starke Schule wehre sich gegen alle Neuerungen, insbesondere die neue Fremdsprachendidaktik. Dass die «Mille feuilles»-Didaktik ein gigantischer Reinfall ist, bestätigt inzwischen die erste wissenschaftliche Studie der Uni Fribourg. Nein, die Starke Schule kämpft für ein nachhaltiges Konzept von Unterricht, das die Lernenden ernst nimmt und nicht unbedarft jede Schaumschlägerei mitmacht. Pacchiarini/Flüeler stossen sich ferner an der Feststellung, dass die abgehenden Primarschulkinder nicht das erwartete Können zeigten. Anstatt dies zu akzeptieren und ihre Praxis zu überdenken, reagieren sie mit einem unqualifizierten Rundumschlag gegen die unerfahrenen Sekundarlehrer, die ihnen, den Propheten, ja ach so unterlegen seien. 
Ein unqualifizierter Rundumschlag, Basellandschaftliche Zeitung, 21.12. Leserbrief von Felix Schmutz

Wann kommen bei uns die Zwangsjacken?

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Schülerinnen und Schüler haben es oft ganz schön schwer. Manche von ihnen, so las man in den letzten Tagen vor allem in der deutschen Presse, haben in ihrem Schulalltag noch schwerer zu tragen. Es geht nicht um übergewichtige Schultheks, sondern um Sandwesten. Die bis zu fünf Kilo schweren Hilfsmittel sollen unruhigen Kindern in Hamburger Grundschulen helfen, zur Ruhe zu kommen.
Sandwesten für Zappelkinder, Tages Anzeiger Mamablog, 21.12. von Nadia Meier


Darüber kann man sich natürlich empören. Jesses! Die armen Kinder werden in Zwangsjacken gesteckt, die sie auf ihre Stühlchen niederdrücken! Ich aber finde: Sandwesten in der Schule, warum nicht?

Ich kann mir gut vorstellen, dass so eine Weste tatsächlich helfen kann. Auch auf Babys wirkt eine gewisse Enge beruhigend, ich denke da ans Pucken oder das Tragetuch. Grösseren Kindern, die sich nicht mehr spüren oder ausser sich sind, kann eine Sandweste vielleicht helfen, wieder mehr bei sich zu sein.

Leichter, als man denkt
Wichtig finde ich, dass die Schülerinnen und Schüler die Westen freiwillig tragen. Zudem ist es gut, zu wissen, dass nicht einfach jedes Kind fünf Kilo umgeschnallt bekommt. Gemäss Hersteller Beluga wiegen die Westen bei jüngeren Kindern zwischen 1,2 und 2,5 Kilo. Und es tragen auch nicht alle Kinder eine Weste: In Hamburg kommen sie in Integrationsklassen bei Kinder mit ADHS zum Einsatz. Wenn Sandwesten auch unruhigen Kindern ohne Diagnose helfen: Warum nicht?

Grundsätzlich begrüsse ich es, wenn in der Schule neue Methoden ausprobiert werden. Zu meiner Schulzeit musste man noch vor die Tür, wenn man den Unterricht störte. Das hilft vor allem der Lehrperson, die mehr Ruhe im Klassenzimmer hat, wenn der Störenfried draussen ist. Aber ob sich das Kind in der Garderobe alleine beruhigen kann? Eine schöne Variante gab es im Kindergarten meiner Tochter: ein kleines Zelt, in das sich die Kinder zurückziehen konnten. Eine reizarme Umgebung, in der man sich aufgehoben, aber nicht unbedingt ausgeschlossen fühlt.

Mehr Gewicht oder mehr Bewegung?
Wenn Sandwesten im Schulzimmer zum Einsatz kommen, ist es wichtig, dass die Kinder nicht stundenlang damit an ihren Pültli sitzen. Aber das sollten sie auch ohne Sandweste nicht müssen. Kinder sind Bewegungsmenschen und nicht dafür gemacht, ewig über ein Blatt gebeugt auf einem Stuhl zu sitzen. In der Klasse meiner Tochter finden regelmässig Bewegungseinheiten wie Morgengymnastik, Tanzspiele oder Hüpfen statt. Danach, so die Lehrerin, sei es jeweils wieder viel ruhiger im Klassenzimmer.

Ob einzelne Kinder nun Sandwesten anziehen, an einem Stehpult arbeiten oder lärmreduzierende Kopfhörer tragen: Wenn es freiwillig erfolgt und nützt, so schadet es bestimmt nicht. Und anstatt auf empörte Eltern oder kritische Kinderpsychologen zu hören, könnte man ja mal die Kinder fragen. Oft sind sie offener für neue Ideen als wir Erwachsenen.


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