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Christentum und Staat zu Weihnachten

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Der christliche Unterricht ist aus vielen Schulen verschwunden. Doch an Weihnachten kehrt die Glaubensfrage zurück – mit Folgen für manche Kinder.
Gottes Werk und Lehrers Beitrag, Südostschweiz am Wochenende, 23.12. von Yannick Nock



Wer ein Paradebeispiel für die Krux der Schulen in Glaubensfragen sucht, brauchte diese Woche nur nach Deutschland zu blicken: «Schule verlegt Weihnachtsfeier nach Kritik von Muslimin», lautete die Schlagzeile in Dutzenden Zeitungen. Die Gymnasiastin argumentierte, dass christliche Lieder nicht mit ihrem Glauben vereinbar seien. Die Folge: landesweite Empörung. Mittlerweile hat die Schule die Darstellung dementiert. Beruhigt haben sich die Gemüter trotzdem nicht. 

Weihnachten, die Zeit der Besinnung, ist für Schulen die Zeit der Zerrissenheit. Mit den Festtagen kehren Krippenspiel, Christbäume und Weihnachtslieder in die Klassen zurück. Das Christentum steht unangefochten im Zentrum der Aufmerksamkeit. Beliebte Bräuche, denen allerdings nicht alle Andersgläubigen beiwohnen wollen. Eltern von muslimischen Kindern möchten nicht, dass ihr Nachwuchs christlich-religiöse Lieder singt. Lehrer stellt das vor Probleme: Wie sollen sie den Unterricht – und insbesondere Weihnachtsfeiern – gestalten, damit alle Kinder teilnehmen können? 

Muslime dürfen freinehmen 
«Wir empfehlen, Eltern offen zu informieren und betonen, dass bei Weihnachtsfeiern die Gemeinschaft im Zentrum steht, nicht die religiösen Aspekte», sagt Bernard Gertsch, Präsident des Schweizer Schulleiterverbandes. Das würde meistens helfen. Den Lehrern rät er, mit Glaubensbekundungen wie dem Beten achtsam umzugehen. 

Trotzdem dürfen sich nicht christliche Schüler von einer religiös geprägten Weihnachtsfeier dispensieren, schreibt der Lehrerverband. Nicht aber von einem Anlass, der als Jahresabschlussfest gedacht ist. Welche Rolle dabei Adventskränze und Weihnachtsbäume spielen, sollen Lehrer und Schulleiter gemeinsam entscheiden. Das Bundesgericht sieht es gemäss eines 2012 gefällten Entscheids ähnlich: Kinder müssten in der Regel Weihnachtslieder mitsingen. Sie dürfen aber nicht dazu gezwungen werden, wenn im Lied ein ausdrückliches Glaubensbekenntnis vorkommt. Hingegen darf man in der Schule mit den religiösen Gesängen anderer konfrontiert werden. 

Während des Jahres stellen sich solche Fragen weniger. Der konfessionelle Religionsunterricht ist in den vergangenen 20 Jahren in vielen Kantonen aus den Schulen verschwunden. Weg vom Krippenspiel und der Arche Noah, hin zu Buddha und Mohammed: Die verschiedenen Weltreligionen rücken ins Zentrum des Unterrichts. Aus den Religionsstunden wird im neuen Lehrplan 21 das Fach «Ethik, Religionen, Gemeinschaft». Die Landeskirchen haben ihr Monopol an den Schulen verloren. 

Sparpotenzial im Volksschulamt

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Ein Vorstoss will den Thurgauer Schulgemeinden mehr Aufgaben zuordnen. Das kantonale Volksschulamt soll dadurch jährlich mindestens eine Million Franken einsparen.
Mit dem Rotstift durchs Volksschulamt, Thurgauer Zeitung, 23.12.
 
Fünf Thurgauer Kantonsräte erkennen bei der Volksschule viel Sparpotenzial. «Der Aufwand für den Kanton liesse sich spürbar reduzieren», schreiben sie in einer Leistungsmotion unter dem Titel «Qualitätssicherung Volksschule». Mit dieser soll der Regierungsrat beauftragt werden, die Aufsicht, Evaluation sowie die Unterrichts- und Schulentwicklung zu reformieren.

«Ein Gewinn für alle Beteiligten»
Im Fokus sind gemäss Vorstoss Aufbearbeitung und Verarbeitung von Daten. Aufgaben, die in diesem Bereich anfallen, sollen neu von den Schulgemeinden, nicht mehr vom kantonalen Volksschulamt übernommen werden.

«Da sehr viele Daten vor Ort in den Schulgemeinden anfallen, sollten diese sinnvollerweise auch dort nach einem vorgegebenen Raster erfasst und ausgewertet werden», schreiben die Motionäre. Rechtfertigen würde sich der Abbau von Kantonskapazitäten «aus den Erfahrungen mit geleiteten Schulen». Die Vorstösser sehen darin ein Sparpotenzial beziehungsweise «eine Aufwandreduktion von mindestens einer Million Franken» beim Volksschulamt, wie sie argumentieren. Die Umsetzung ihres Vorschlags «wäre ein Gewinn für alle Beteiligten».

Roland A. Huber (BDP, Frauenfeld) ist Erstunterzeichner. Auf ihn folgen Margrit Aerne (SVP, Lanterswil), Reto Lagler (CVP, Ermatingen), Walter Hugentobler (SP, Matzingen) und Ueli Fisch (GLP, Ottoberg). 60 weitere Ratsmitglieder haben den Vorstoss unterschrieben. «Wir wollen, dass uns die Regierung Möglichkeiten zur Optimierung aufzeigt», sagt Aerne. Erste Auswirkungen der vorgeschlagenen Anpassungen sollten im Budget zum Geschäftsjahr 2019 erkennbar sein.

«Keine Abstriche bei den Qualitätsstandards»
Wiederholt sei der Gesamtaufwand der Schulevaluation und Schulentwicklung in den letzten Jahren diskutiert und beanstandet worden. «Ein Zurück zur Beschränkung auf die Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben mit einem Verzicht auf Steuerungswünsche würde die Teilautonomie und Selbstverantwortlichkeit der Schulen stärken», heisst es im Vorstoss weiter. Die vorgeschlagene Anpassung des Qualitätsmanagements der Volksschule an heutige Erfordernisse könne ohne Abstriche bei den Qualitätsstandards der Schulen erfolgen.

Zu einer Leistungsmotion nimmt der Regierungsrat in der Regel innerhalb von drei Monaten Stellung. 

ADHS - keine Ausrede

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Bis vor rund 10 Jahren gingen Experten davon aus, dass es ADHS im Erwachsenenalter gar nicht gibt. Wird die Störung heute dafür zu oft diagnostiziert? Zwei Solothurner Psychologen über die Erkrankung und deren Vorurteile.
Rund 340 Kilogramm Metylphedinat werden jährlich in die Schweiz geliefert. Dabei handelt es sich entweder um fertige Medikamente gegen ADHS, oder um Präparate, aus denen Apothekern beispielsweise Ritalin herstellen. Mit Psychostimulantien, zu welchen auch Metylphenidat-Präparate gehören, entsteht jährlich ein Umsatz von rund 20 Millionen Franken.


ADHS – Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Was ist das?
Sabine Tschudin: ADHS ist wahrscheinlich eine Stoffwechselstörung des Gehirns. Betroffene können sich weniger gut selbst steuern.
Raphael Ditzler: Sie schaffen es nicht, ihre Steuererklärung auszufüllen, oder im Büro still zu sitzen. Die drei HauptSymptome sind: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität. Wobei die Hyperaktivität - das H in ADHS - bei Erwachsenen oft weniger wird.

Das gibt dann ADS.
Tschudin: Das kann man so nicht sagen. Die Hyperaktivität kann im Verlaufe des Lebens weniger werden. ADS kann aber wie eine ADHS schon seit der Kindheit bestehen, wenn die Hyperaktivität gar nie ausgeprägt war. Das sind dann die Mädchen, die ganz verträumt und schüchtern sind – nicht die Kinder vom Typ «Rowdy», die oft Ärger mit dem Lehrer haben und Lärm machen.

ADHS ist also nicht nur eine Kinderkrankheit.
Ditzler: Nein. Etwa die Hälfte der Kinder, die betroffen sind, hat auch im Erwachsenenalter eine ADHS.
Tschudin: Man darf aber nicht vergessen, dass die Statistik nur die Leute berücksichtigt, die auch abgeklärt sind. Viele Erwachsene sind das nicht. Oft bemerken sie erst, dass sie eine ADHS haben, wenn sie ihre Kinder abklären lassen.

Woran liegt das?
Tschudin: Man ging lange davon aus, dass es ADHS im Erwachsenenalter gar nicht gibt. In den 90ern war das kein Thema.
Ditzler: Es gibt sicher auch Erwachsene, die das ADHS gut kompensieren können. Wenn sich Betroffene für etwas interessieren, können sie sich sehr gut darauf konzentrieren und durchaus Karriere machen. Spannend sind die Fälle, in denen 50-Jährige nach einem Unfall den Job wechseln müssen und sich fragen, warum sie ihr Leben nicht mehr auf die Reihe kriegen.

Dann wächst ADHS nicht raus – Betroffene gewöhnen sich daran?
Tschudin: Ich glaube, ein Teil der Störung bleibt immer. Und seien dies nur die Folgen der Erfahrungen, die man in seiner Kindheit gemacht hat. Viele werden gehänselt, manche geraten später auf die schiefe Bahn. Versuchen, sich mit Drogen abzulenken. Sie merken, dass sie einfach nicht auf einen grünen Zweig kommen und das zermürbt sie.

Wo ist die Grenze zwischen etwas hyperaktiv sein und einer ernsthaften Störung?
Ditzler: Eine klare Grenze gibt es nicht. Es kommt auf den Leidensdruck an. Nur weil es mich langweilt, die Steuererklärung auszufüllen, habe ich noch keine ADHS. Aber es ist etwas anderes, wenn ich mich hinsetze, sie ausfüllen will, und einfach nicht kann.

Es gibt auch Leute die sagen, ADHS sei eine Ausrede für alles. Wieso gibt es heute mehr ADHSler als früher?
Tschudin: Früher hiess es «Reiss dich zusammen», wenn jemand in der Schule auffällig war. Heute werden solche Kinder beim schulpsychologischen Dienst angemeldet. Verhaltensauffällige haben in der heutigen Gesellschaft weniger Platz. Zappelphilippe von damals, die als Kind nicht abgeklärt wurden, sind jetzt erwachsen, und erhalten teilweise eine Diagnose.

Manchmal auch zu voreilig?
Ditzler: Natürlich muss man aufpassen, dass man nur die diagnostiziert, die wirklich betroffen sind. Dafür haben wir heute den Vorteil, dass wir bei Kinder mit Schwierigkeiten erklären können, dass sie eine ADHS haben, und nicht einfach faul oder schlecht erzogen sind.

So wird ADHS bei Erwachsenen therapiert
Für ADHS gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten. Von Coaching bis zu Gesprächstherapie. Die Behandlungsmöglichkeit gibt es nicht, dafür viele Formen, die umstritten sind. So wie das Neurofeedback. Paul Rüfenacht bietet die Therapiemöglichkeit in Solothurn an. Seine Patienten werden mit einem Computer verkabelt, der deren Hirnströme misst. Mit Computerspielen und Filmchen sollen die ADHSler so das Gefühl von Konzentration lernen, und trainieren.

Auch mit der Ergotherapie sollen Erwachsene mit ADHS trainieren - aber nicht Konzentration, sondern Struktur. Mit kleinen Übungen in Therapiesitzungen lernen sie, sich an Vorgaben und Arbeitspläne zu halten, und werden mit ihrer Unsrukturiertheit konfrontiert. Die Ergotherapeutin Joanna Murawski bietet die Therapiemöglichkeit in Olten an. 

Auch in der Gesprächstherapie soll ADHSlern geholfen werden. Thomas Barth betreibt in Bern personenzentrierte Psychotherapie. In dieser Form der Gesprächstherapie geht der Therapeut auf Erlebnisse und Erfahrungen des Patienten ein, um so an dessen Selbstwertgefühl und Persönlichkeitsentwicklung zu arbeiten. Denn: Von ADHS Betroffene werden im Leben oft mit Misserfolgen konfrontiert. 


"Bildung ist eine Sache von Einzelnen"

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Wie steht es um die Bildung unserer Schüler? Die Politik versucht nicht zuletzt mit Reformen, Schüler schnell schlau zu machen. Vorsicht, mahnen Experten. Richtige Bildung habe viel mit Entschleunigung zu tun.
Schlechtes Zeugnis für Bildungspolitik, Deutsche Presseagentur, 26.12. von Matthias Röder


Ein schlechtes Zeugnis stellt der österreichische Philosoph, Autor und Bildungsexperte Konrad Paul Liessmann den Bildungspolitikern in Deutschland und Österreich aus. In den Schulen dominiere der Glaube an den Erwerb von Kompetenzen, egal, an welchen Texten, Aufgaben und Theorien diese geübt würden, sagt der 64-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Für ihn ein Irrweg. "Die effizienz- und kompetenzorientierte Schule hindert junge Menschen, die nötige Fantasie und Kreativität zu entwickeln."

Deutsche Presseagentur: Die deutschen Schüler sind laut Pisa-Studie recht gut in "Teamarbeit". Teilen Sie die Freude?
Konrad Paul Liessmann: Ich stehe Pisa-Studien prinzipiell skeptisch gegenüber. Darüber hinaus glaube ich, dass Teamarbeit wenig mit Bildung zu tun hat und überschätzt wird. Zudem wurde diese Kompetenz nicht in realen Situationen, sondern in Computersimulationen getestet. Das ist ein sehr zeitgeistiger Ansatz. Bildung ist eine Sache von Einzelnen und auch von Einsamen.

Was ist Bildung?
Die Bildung des Menschen beinhaltet Formung, Entfaltung, Orientierung, Selbstgestaltung und das Gewinnen einer auch ästhetischen Urteilskraft. Bildung lässt sich nicht reduzieren auf den Erwerb von Wissen, aber auch nicht auf den Erwerb von Kompetenzen. Bildung meint immer, wie kann ein Mensch seine Haltung, seinen Charakter, seine Fähigkeiten zu einer Mündigkeit entwickeln. Bildung kennt also letztlich keine definierbaren Ziele, sondern ist ein offener Prozess.

Was hat die Bildungspolitik in Österreich und Deutschland mit Bildung zu tun?
Gar nichts. Es geht ihr nicht mehr um die Bildung des Menschen, sondern es geht ihr um das Schulen und Testen von einzelnen Fähigkeiten. Es geht ihr nicht mehr, und da wage ich eine Trendwende zu prognostizieren, um die Inhalte der Bildung. In den Lehrplänen geht es um den Erwerb der Lesekompetenz, aber dabei wird völlig ausgeklammert, was gelesen wird. Dabei sind Inhalte entscheidend. Denn nur diese berühren Menschen. Kompetenzen lassen kalt.

Sind die Lehrer die neuen Coaches fürs Leben?
Ich würde Lehrer davor warnen, ihr Selbstverständnis in dieser neuen Form des Coachings und der Begleitung der Schüler zu sehen. Lehrer sollen Lehrer sein. Pädagogen müssen das Gefühl haben, dass sie etwas Wichtiges weitergeben wollen, gerne mit persönlicher Färbung und persönlichem Stil. Der gute Deutschlehrer begnügt sich nicht damit, Leseprozesse zu coachen, sondern ist von der Notwendigkeit überzeugt, Kafka, Thomas Mann oder Peter Handke zu lesen.

Die Lehrer leiden Ihrer Ansicht nach unter einer selbst auferlegten "Zerknirschungsstrategie". Was meinen Sie damit?
Das ist eine neue Mode in der Lehreraus- und fortbildung: Ständige Selbstreflexion und Selbstrechenschaft, ständige Selbstüberprüfung von eigenen Defiziten und dem Nicht-Erreichen von Zielen. Das Selbst-Monitoring ist eine Variante der pietistischen Selbstbeobachtung. Natürlich braucht man kritische Distanz zu sich und seiner Tätigkeit. Aber wir müssen weg von diesem Phantasma permanenter Kontrollierbarkeit und der permanenten Vergleichstest. Das schafft nur unglückliche Lehrer und damit unglückliche Schüler.

Was haben Bildung und Muße miteinander zu tun?
In der Antike wusste man, dass Bildungsprozesse keine Arbeitsprozesse sind. Muße bedeutet, dass ich mich mit Dingen um ihrer selbst willen befassen kann und nicht ständig darauf schielen muss: Erreiche ich damit ein Ziel, löse ich damit ein Problem? Nur Freiräume befördern die Bildung. Effizienz allein bedeutet keinen Fortschritt. Gerade heute wäre nichts so sehr nötig wie Fantasie. Die effizienz- und kompetenzorientierte Schule hindert junge Menschen, die nötige Fantasie und Kreativität zu entwickeln.

Kann man einfach das Ruder herumreißen?
Das ist keine unmögliche Aufgabe. Man kann natürlich Zeitordnungen und Lehrpläne an Schulen und Universitäten anders gestalten. Man kann aus den Bildungssystemen den dramatischen Druck nehmen. Wir sind die reichste Gesellschaft aller Zeiten mit der höchsten Lebenserwartung aller Zeiten – wir können problemlos 40 bis 45 Jahre arbeiten und hätten noch viel Zeit für Bildungsprozesse mit Muße. Ich sehe keinen Grund für den Zeitdruck im Bildungssystem.

Wo mangelt es auffallend an Bildung?
In den sozialen Netzwerken. Dort herrscht Bildungsmangel schon durch den Mangel an Kinderstube und Selbstbeherrschung. Viele wissen nicht, wie man argumentiert, wie man unterscheidet zwischen Argumenten einer Sache gegenüber und unzulässigen Argumenten einer Person gegenüber. Dabei wäre eine profunde Diskussion mit auch scharfer Kritik hilfreich. Ich sehe eine Paradoxie. Wir machen Bildungseinrichtungen zu schmerzfreien Räumen, wo nichts mehr gedacht werden darf, was jemand als anstößig empfinden könnte. Dieser Hyper- Empfindlichkeit steht gleichzeitig eine Vulgarisierung der Öffentlichkeit gegenüber. Beides ist das Gegenteil von Bildung.

Welche Rolle spielen Intellektuelle in Zeiten der "Political Correctness"?
Intellektuelle tendieren dazu, das Volk zu bevormunden. Diese Gefahr muss man sehen. Die einfachste Art, sich mit den Positionen des Anderen nicht auseinanderzusetzen, ist, ihn zu pathologisieren wie bei der Flüchtlingsfrage. Da wurden Skeptiker zu Kranken erklärt: Islamophobie. Wenn Erwachsene Angst haben, Anstoß zu erregen, führt das zu einer Verkümmerung des Sprech- und Denkvermögens. Es muss aber auch klar sein: Niemand ist verpflichtet, sich mit anderen unter seinem Niveau auseinanderzusetzen. Ich muss mich wirklich nicht mit den primitivsten Vorurteilen und Hassorgien befassen.

Was erwarten Sie vom EU-Bildungsgipfel 2018?
Es wäre eine schöne Bildungsinitiative, einen Kanon von 20 bis 25 Schlüsselwerken europäischer Literatur von der griechischen Antike bis zu James Joyce zu empfehlen. Diese Bücher waren und sind doch die Grundlage für die kulturelle Identität Europas. Meine Prognose ist, dazu wird es nicht kommen. Es wird wieder nur um Standardisierung gehen, darum wie man Kompetenzen noch präziser evaluieren kann, noch effizienter die Arbeitsmärkte bedienen kann und den Internet- Konzernen im Bildungsbereich noch mehr Spielwiesen verschaffen kann.

Zur Person:
Der 64-Jährige lehrt an der Universität Wien, ist Autor vieler Publikationen und befasst sich seit langem intensiv mit der Bildungspolitik. Zuletzt erschien sein Buch "Bildung als Provokation". Der Rennradfahrer ist Kritiker des Autoverkehrs und Karl-May-Fan.


Motion will Schulevaluation den Geldhahn zudrehen

Bundesgericht pfeift Thurgau zurück

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Der Grosse Rat des Kantons Thurgau hatte 2015 eine Änderung des kantonalen Volksschulgesetzes beschlossen. Gemäss der Bestimmung sollen Schülerinnen
und Schüler zum Besuch von Sprachkursen verpflichtet werden können. Die Eltern sollen sich daran finanziell beteiligen müssen. Weiter sollen sich Eltern finanziell an schulischen Pflichtveranstaltungen beteiligen müssen. Vier Privatpersonen erhoben gegen die Neuregelung Beschwerde ans Bundesgericht.

Bundesgericht pfeift Thurgauer Parlament zurück, SRF, 29.12.
Elterliche Kostenbeteiligung an Deutschkursen verstösst gegen die Verfassung, NZZ, 29.12.
·       


·       Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die angefochtenen Bestimmungen
auf.
Artikel 19 der Bundesverfassung garantiert laut dem Urteil einen ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht.
Dieses Recht bezweckt auch die Chancengleichheit bei der Ausbildung. Deshalb dürfe eine Schule keine finanzielle Beteiligung der Eltern verlangen.
Aus dem gleichen Artikel ergebe sich weiter, dass alle notwendigen und unmittelbar dem Unterrichtszweck der Grundschule dienenden Mittel unentgeltlich zur Verfügung gestellt
werden müssen.
Dazu gehören auch - laut dem Urteil - Aufwendungen für Exkursionen und Lager, sofern eine Pflicht zur Teilnahme besteht.


Zurücktretender Hans Ambühl über Reformen und Bürokratie in den Klassenzimmern

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In der Schweizer Bildungspolitik war Hans Ambühl einer der massgeblichen Taktgeber. Im Frühling trat der Luzerner als Generalsekretär der Erziehungsdirektorenkonferenz ab, nun zieht er erstmals Bilanz.
«Schule ist keine Insel der Glückseligen», NZZ, 30.12. von Michael Schoenenberger und Marc Tribelhorn


Herr Ambühl, Sie waren 18 Jahre lang die graue Eminenz im Schweizer Bildungssystem. Was war Ihr grösster Misserfolg?
Die grösste negative Überraschung war, dass das Harmos-Projekt in mehreren Kantonen derart polemische Abstimmungskämpfe provoziert hat – trotz breiter Zustimmung auch seitens der Parteien in der Vernehmlassung. Da gab es nicht nur Missverständnisse, sondern grobe Fehlbehauptungen und Unterstellungen.

Damals entdeckte die SVP die Bildungspolitik.
Die heftigste Phase der Instrumentalisierung von Bildungsthemen für parteipolitische Zwecke ist zum Glück bereits wieder vorbei. Ich stelle eine Versachlichung der Debatte fest, gerade auch beim Lehrplan 21.

Der Lehrplan 21 provoziert noch immer. In unserem föderalen Bildungssystem lässt sich die Bevölkerung nicht gerne von einer übergeordneten Instanz wie der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) die Schulinhalte vorgeben.
Weder die EDK als Institution noch ihr Generalsekretär haben die Möglichkeit, den Kantonen irgendetwas vorzuschreiben. Die Kantone kommen bei der EDK in einem rechtsstaatlich und demokratiepolitisch völlig korrekten Rahmen zusammen. Der Mär von der nicht einwandfreien Statur der EDK bin ich immer entgegengetreten. Der Abschluss von Verträgen ist die älteste Form der Zusammenarbeit, die es in der Eidgenossenschaft gibt. Und die Erarbeitungsprozesse in den Projekten sind unter Einbezug der Praxis hochpartizipativ.

Wie steht es nun aber um die Harmonisierung der Schule in der Schweiz, die Sie massgeblich vorangetrieben haben?
Was den Verfassungsauftrag angeht, haben wir vieles umgesetzt. Gut sieht es bei der Volksschule und bei den Hochschulen aus. Aber wir haben in den ersten Jahren nur die Rechtsgrundlagen und die Instrumente schaffen können. Jetzt muss das Ganze mit Leben gefüllt werden, und die Zielerreichung ist zu überprüfen.

Was heisst das konkret?
Die Verfassung sagt beispielsweise, die Ziele der Bildungsstufen seien zu harmonisieren. In unserer Interpretation wäre ein Lehrplan für die gesamte Schweiz nicht mit unserer Tradition und den unterschiedlichen Kulturen vereinbar gewesen. Aber wir definierten gesamtschweizerische Lernziele pro Bildungsabschnitt, sogenannte Grundkompetenzen. Wir müssen nun überprüfen, wie weit diese in der ganzen Schweiz erfüllt werden. Wir wollten nicht standardisieren, sondern harmonisieren.

Die Gymnasien blieben bisher von solchen Schritten verschont.
… obwohl die verfassungsmässige Harmonisierungspflicht für alle Bildungsstufen gilt – und es sich ja bei der gymnasialen Maturität um einen gesamtschweizerischen Abschluss handelt. Aber es gibt in der Schweiz eine starke Tradition, dass die Gymnasien selber definieren, wie sie ihren Auftrag ausführen. National besteht nur ein Rahmenlehrplan. Bezüglich der Studierfähigkeit gibt es denn auch erhebliche Unterschiede zwischen den Kantonen, ja Schulen, wie die wissenschaftliche Evaluation in drei Fachbereichen vor zehn Jahren gezeigt hat. Wenn der Anteil gymnasialer Maturanden zwischen 13 und über 30 Prozent eines Schülerjahrgangs schwankt, kann das ja nicht erstaunen. Um die hohe Qualität der Schweizer Matura und – bei aller Legitimität von kulturellen Unterschieden zwischen den Regionen – eine gewisse Chancengerechtigkeit gewährleisten zu können, sind verbindlichere Richtlinien künftig wohl unvermeidlich.

Sie amten als Präsident der Schweizerischen Maturitätskommission. Sind wir auf dem Weg zu einer gesamtschweizerischen Matura?
Nein. Die EDK hat bereits basale fachliche Studierkompetenzen in den Fächern Erstsprache und Mathematik in Ergänzung zum Rahmenlehrplan definiert, den Dialog zwischen Gymnasien und Hochschulen verstärkt und Empfehlungen für die Berufs- und Studienberatung an den Gymnasien erlassen. Meines Erachtens wäre zu prüfen, ob nicht auch der Rahmenlehrplan und die Lehrpläne angepasst werden müssten, wie es Professor Peter Bonati in seiner jüngst publizierten Analyse vorschlägt. Dass wir in der föderalen Schweiz top-down eine zentrale Matura einführen, will sich aber derzeit niemand vorstellen. Es wäre ja auch keineswegs klar, dass mit einem solchen Schritt die Qualität verbessert würde.

Der Präsident der schweizerischen Gymnasialrektorenkonferenz hat gemeint, die EDK werde nicht darum herumkommen, sich auch einmal mit der Maturaquote zu befassen.
Einverstanden, solange es dabei um eine bessere Vergleichbarkeit im Sinne der Chancengerechtigkeit geht. Diese ist meines Erachtens über qualitätsorientierte Massnahmen anzustreben, nicht aber über die schiere Bewirtschaftung einer zahlenmässigen Quote. Solches käme einem Numerus clausus für Gymnasien gleich und würde im Ergebnis auch nicht zu mehr Gerechtigkeit führen. Wer – meines Erachtens zu Recht – mehr Vergleichbarkeit bei der Matura fordert, muss allerdings auch entsprechende Vorgaben zur Zielerreichung akzeptieren. Der Autonomiediskurs wird nicht per se eine höhere Vergleichbarkeit bewirken.

Seit zwei Jahrzehnten jagt eine Reform die nächste. Lehrer und Schulen klagen über «Reformitis». Können Sie nicht verstehen, dass Lehrpersonen möglichst frei unterrichten möchten, ohne Bürokratie, ohne ständige Neuregelungen?
Wer möchte nicht möglichst frei sein? Nur, erstens, weil Sie die Frage an den ehemaligen EDK-Generalsekretär richten: Man kann sicher nicht die EDK für alle «Reformen» verantwortlich machen. Die EDK ist keine «Reformitis»-Maschine. Auf gesamtschweizerischer Ebene haben wir sehr wenige Veränderungen eingeleitet, die überhaupt im Schulalltag direkt spürbar werden. Und wenn, dann nicht von heute auf morgen, sondern organisch. Aber es gibt ja auch kontinuierlich neue Ansätze aus der pädagogischen und didaktischen Fachwelt sowie methodisch aktualisierte Lehrmittel. Solchen Entwicklungen kann sich eine professionelle Schule ja nicht aus Prinzip verschliessen. Zweitens habe ich natürlich Verständnis dafür, dass Veränderungen im anspruchsvollen und hektischen Schulalltag als unangenehm wahrgenommen werden. Das ist jedoch eine Frage der Perspektive und war früher nicht grundsätzlich anders.

Sie machen es sich etwas einfach. Im Gegensatz zu früher protestieren die Lehrer heute viel vehementer gegen den permanenten Reformdruck.
Sicher hat sich das Tempo der Veränderungen verschärft. Das ist aber überall so. Wir machen Schule ja nicht zum Selbstzweck: Die Berufswelt verändert sich rasant und mit ihr die Berufsbildung. Ständig ändern sich die Anforderungen und die Erwartungen an die Menschen. Das hat Auswirkungen auf die Schule. Sie ist keine Insel der Glückseligen, wo immer alles gleich bleibt.

Schulen und Lehrpersonen klagen auch über eine zunehmende Bürokratie. Zu Recht?
Diese Klage verstehe ich viel besser als jene über Veränderungen. Es gibt heute aus der Gesellschaft heraus einen höheren Druck auf die Schulen. Die Anspruchshaltung der Eltern ist zum Beispiel massiv gestiegen. Die Schule muss heute alles, was sie tut, begründen und rechtfertigen: jede Note, die sie erteilt, jede Hausaufgabe, die sie verteilt. Ich weiss von Lehrkräften, die spätabends von Eltern angerufen werden, weil diese nicht einverstanden sind mit einer Schulnote vom Vormittag. Das führt im Schulalltag dazu, dass viel mehr dokumentiert wird. Wir müssen die Schule von solcher Administration entlasten.

Und wie soll das geschehen?
Die Behörden müssen aufpassen, dass sie im Rahmen ihrer Evaluationsaufgabe von den Schulen nicht zu viele Informationen und Auskünfte verlangen, die dann diesen Dokumentationsbedarf auslösen. Und in der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung sollten wir jener vielfach verbreiteten, egozentrischen Anspruchshaltung gegenüber der Institution Schule entgegentreten.

Auch die zunehmende Vermessung der Bildung befeuert die Bürokratie. Ist das wirklich nötig?
Dass Schulen Rechenschaft über ihr Tun ablegen müssen, finde ich in einem öffentlich veranstalteten und finanzierten System richtig. Aber es gibt Grenzen: So haben wir bei der letzten Pisa-Erhebung unsere Zweifel an der Auswertung und an der Interpretation bei der OECD angebracht.

Seit dem Jahr 2000 macht die Schweiz bei «Pisa» mit. Sind die hiesigen Schulen in dieser Zeit besser geworden?
Wir wurden durchaus auf wichtige Dinge aufmerksam. Die Schwierigkeiten bei der Lesefähigkeit wurden wegen «Pisa» bewusst und publik. Auch dass es eine hohe Abhängigkeit des schulischen Erfolgs vom sozialen und kulturellen Kontext gibt, haben wir aus «Pisa» gelernt. Doch die Parole «Schaut einfach, wie es da und dort gemacht wird, und macht es gleich» ist völlig falsch. Wiederholte methodische Anpassungen am Pisa-Test verhindern zudem, dass die nationalen Ergebnisse über einen längeren Zeitraum verglichen werden können, was mich extrem ärgert. «Pisa» hat nicht gehalten, was die OECD versprach.

Wieso beenden wir dieses Kapitel nicht?
Wir müssen uns selbstverständlich dem internationalen Vergleich stellen, dürfen uns dabei aber keinen Trugschlüssen hingeben: Es ist nicht alles messbar, und es passt auch nicht alles in eine Rangliste. Die OECD, die Medien sowie übermütige Wissenschafter und Politiker haben die Messbarkeit von Bildung überschätzt. Und: Wir müssen uns bei der OECD dafür einsetzen, dass die Pisa-Ergebnisse wieder vergleichbar werden, auch wenn wir da möglicherweise am Anfang noch etwas einsame Rufer in der Wüste sind.

Einig sind sich die Experten indes, dass die Digitalisierung die zentrale Herausforderung der Zukunft ist. Wo steht das Schweizer Schulwesen diesbezüglich?
Es weiss noch niemand, wohin genau die Reise geht, obwohl wir seit Jahren über Digitalisierung reden. Sicher ist nur, dass die Digitalisierung das formale Bildungssystem herausfordert: Früher hatte die Schule eine Art Datenmonopol, heute hat jede Primarschülerin einen grossen Datensack in der Hosentasche. Das verändert die Lern- und Lehrprozesse zwangsläufig. Es macht die Lehrpersonen aber nicht überflüssig, im Gegenteil: Sie müssen Wege aufzeigen, wie man zu guten Informationen kommt, wie man sie verifiziert, gewichtet und so weiter. In den neuen Lehrplänen, insbesondere im Lehrplan 21, wird auch die Informatik als solche eingeführt, was mich zuversichtlich stimmt. Das braucht aber alles Ressourcen.

Paradoxerweise werden gerade jetzt die Ausgaben gedrosselt. Dieses Jahr demonstrierten wiederholt Lehrer und Schüler auf der Strasse gegen den «Bildungsabbau».
Wenn man die Gesamtebene betrachtet, kann man sicher nicht von einem «Bildungsabbau» reden. In einem föderalen System gibt es aber Unterschiede, und tatsächlich sind einige Kantone in finanzielle Bedrängnis geraten, einzelne auch wegen ihrer Steuerpolitik. Wenn der schulische Grundauftrag nicht mehr erfüllt werden kann und die Kinder und Lehrkräfte in Zwangsferien geschickt werden, habe ich volles Verständnis für Proteste. Wir sind ja kein armes Land.

Die Bildungsausgaben sind in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen. Wohin fliesst das Geld?
Es fliesst zu über 80 Prozent in die Besoldung der Lehrkräfte aller Stufen. Schule ist personalintensiv und wird es bleiben. Die Schweizer Lehrerlöhne gehören übrigens innerhalb der OECD zu den höchsten – auch wenn hierzulande viel geklagt wird.


Widersprüche

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"Wenn wir uns die Schulpolitik der letzten 15 Jahre wie ein Fussballspiel vorstellen, dann steht dort aber nicht mehr nur ein sachunkundiger und sich selbst überschätzender Trainer an der Seitenlinie, sondern Dutzende, und zwar links wie rechts des Spielfeldes. Und alle schreien sie permanent: «Jetzt müssen wir etwas machen! Jetzt müssen wir etwas machen! Jetzt müssen wir etwas machen!»"
Roger von Wartburg, Präsident des Baselbieter Lehrervereins LVB, sammelt Widersprüche im Bildungswesen und schreibt mit Tiefgang.
Der letzte Schrei "Widersprüche", LVB inform, Dezember 2017, von Roger von Wartburg

Quiz zum Jahresende

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Für die eifrigen Leserinnen und Leser dürften die Fragen gut lösbar sein. 

1. Wie versucht der Kanton Thurgau Kosten zu sparen?
a)  Er halbiert die Stellen im Reinigungspersonal.
b)
    Er übergibt bestimmte Lehraufträge an besonders intelligente Schüler.
c)
    Er überträgt bestimmte Kosten auf die Gemeinden.
d)
    Er schafft die Schulräte ab.

2. Damit unruhige Kinder ruhiggestellt werden, wird den betroffenen Schülern in Deutschland (und wohl bald auch in der Schweiz)
a)    vor Schulbeginn ein Esslöffel konzentrierter Alkohol eingegeben
b)    eine Weste gefüllt mit Sand angezogen
c)    Ritalin gespritzt
d)    ein Kopfhörer mit beruhigender Musik aufgesetzt

3. Von wem stammt der Satz „Unterricht wie zu Gotthelfs Zeiten, als Lehrer allwissend waren, und Schülerinnen und Schüler unwissende, zu füllende Gefässe, ist längst hinfällig.“
a)    Christoph Eymann
b)    Regina Jäkel Pacciarini und Lukas Flüeler von der Primarlehrerkonferenz Baselland AKK
c)    Remo Largo
d)    Hans Ambühl, abtretender Generalsekretär der EDK

4. Welche Schweizer Stadt hat als Zeugnisnoten nur noch ganze Noten eingeführt (was später durch den Kanton wieder rückgängig gemacht wurde)?
a)    St. Gallen
b)    Bern
c)   Solothurn
d)    Winterthur

5. Was soll laut den Vorgaben zum Lehrplan 21 bei einem Aufsatz nicht mehr berücksichtigt werden?
a)    Das Layout des Textes
b)    Das Schriftbild
c)    Die Grammatik
d)    Die Rechtschreibung

6. Die Stadt Winterthur schafft ab kommendem Schuljahr folgendes ab:
a)    Die Zahnkontrollen
b)    Das Niveaumodell an der Sekundarstufe
c)    Die Finken-Tragpflicht der Schüler
d)    Das Handy-Verbot in den Schulhäusern

7. Wie viele Schulklassen aus dem „Brückenkanton“ Solothurn beteiligten sich in den vergangenen Jahren durchschnittlich an Austausch-Aktivitäten mit der Romandie?
a)    55
b)    7
c)    12
d)    150

8. Damit die Eltern von Migrantenkinder die Mitteilungen der Schulen besser verstehen können, entschloss sich eine Primarschule der Stadt Basel
a)    die Eltern zu Deutschkursen aufzubieten
b)    Elternpartnerschaften zu initialisieren
c)    interkulturelle Kochabende einzuführen
d)    Briefe in vereinfachtem Deutsch zu versenden

9. Wie wehrten sich die Stadtberner Lehrer gegen angekündigte Sparmassnahmen?
a)    Sie hängten rote Tücher aus den Schulhausfenstern
b)    Sie luden Politiker zu einem Infoanlass ein
c)    Sie streikten präventiv an zwei Vormittagen
d)    Sie offerierten einen Kurs in Finanzplanung für interessierte Politiker

10. In welchem Kanton ist es Lehrern untersagt, sich bei Missständen an die Medien zu wenden?
a)    Basel-Stadt
b)    Basel-Land
c)    Appenzell Innerrhoden
d)    Thurgau

11. Welcher Faktor hat gemäss einer Studie einen Einfluss auf den Schulerfolg?
a)    Das Gewicht
b)    Das Alter der Eltern
c)    Die politische Grundhaltung der Eltern
d)    Das Sternzeichen

12. Welche dieser Fähigkeiten gehört nicht zum Basler Beurteilungsmodell für Kindergärtler im 1. Kindergartenjahr im Bereich Mathematik?
a)    Kann die Zahlenreihe vor- und rückwärts aufsagen.
b)    Kann Flüssigkeiten ihren Masseinheiten zuordnen (Deziliter, Liter, Hektoliter)
c)    Kann sortieren, Reihen bilden und Ordnungen herstellen.
d)    Kann geometrische Figuren wie Kreis und einfache Körper wie Würfel benennen.

13. Wer sagte diesen Satz: „Erst mal müssen die Schüler lernen, was ein Algorithmus ist und wie er funktioniert. Das können schon Primarschüler anhand von sehr anschaulichen Beispielen lernen. Es gibt da ganz einfache Methoden“.
a)    Ernst Buschor
b)    Bill Gates
c)    Beat Zemp
d)    Silvia Steiner

14. Wie gross ist der Anteil der Luzerner Schüler, die nach dem 8. Schuljahr die Lernziele im Fach Französisch (Bereich „Sprechen“) erreichen?
a)    55%
b)    73%
c)    34%
d)    0,9%

15. Wie verhält sich der Bündner Lehrerverband LEGR gegenüber der Doppelinitiative, die den Lehrplan 21 vors Volk bringen möchte?
a)    Er bekämpft die beiden Initiativen mit Fr. 20‘000 aus der Vereinskasse.
b)    Er weist die Mitglieder des Initiativkomitees während der DV aus dem Saal.
c)    Er befragt alle Mitglieder in einer Basisumfrage.
d)    Er verunglimpft die Mitglieder des Initiativkomitees in einer Inseratekampagne der Südostschweiz.

16. Die Gemeinde Beckenried NW ist eine Pionierin. Als erste Schule
a)    schafft sie die Zeugnisnoten ab.
b)    entfernt sie alle Computer aus der Schule.
c)    schafft sie die Schulleitung ab.
d)    schafft sie die Jokertage ab.

17. Das Trendspielzeug des Jahres 2017 war
a)    der Finger Spin
b)    der Digital Spinner
c)    das Spinning Wheel
d)    der Fidget Spinner

18. Dieser Kanton hat die längsten Sommerferien.
a)    Tessin
b)    Wallis
c)    Graubünden
d)    Baselland

19. In welchem Kanton weisen 74 Prozent der Zeugnisse formale oder inhaltliche Fehler auf?
a)    Appenzell Ausserrhoden
b)    Bern
c)    Luzern
d)    Basel-Stadt

20. Welches Land führt noch vor der Schweiz die zweite Fremdsprache als Obligatorium ein?
a)    Litauen
b)    Belgien
c)    Luxemburg
d)    Norwegen

Für die Lösungen, bitte weiterlesen.



1. Wie versucht der Kanton Thurgau Kosten zu sparen?
a)        Er halbiert die Stellen im Reinigungspersonal.
b)        Er übergibt bestimmte Lehraufträge an besonders intelligente Schüler.
c)         Er überträgt bestimmte Kosten auf die Gemeinden.
d)        Er schafft die Schulräte ab.

2. Damit unruhige Kinder ruhiggestellt werden, wird den betroffenen Schülern in Deutschland (und wohl bald auch in der Schweiz)
a)        vor Schulbeginn ein Esslöffel konzentrierter Alkohol eingegeben
b)        eine Weste gefüllt mit Sand angezogen
c)         Ritalin gespritzt
d)        ein Kopfhörer mit beruhigender Musik aufgesetzt

3. Von wem stammt der Satz „Unterricht wie zu Gotthelfs Zeiten, als Lehrer allwissend waren, und Schülerinnen und Schüler unwissende, zu füllende Gefässe, ist längst hinfällig.“
a)        Christoph Eymann
b)        Regina Jäkel Pacciarini und Lukas Flüeler von der Primarlehrerkonferenz Baselland AKK
c)         Remo Largo
d)        Hans Ambühl, abtretender Generalsekretär der EDK

4. Welche Schweizer Stadt hat als Zeugnisnoten nur noch ganze Noten eingeführt (was später durch den Kanton wieder rückgängig gemacht wurde)?
a)        St. Gallen
b)        Bern
c)         Solothurn
d)        Winterthur

5. Was soll laut den Vorgaben zum Lehrplan 21 bei einem Aufsatz nicht mehr berücksichtigt werden?
a)        Das Layout des Textes
b)        Das Schriftbild
c)         Die Grammatik
d)        Die Rechtschreibung

6. Die Stadt Winterthur schafft ab kommendem Schuljahr folgendes ab:
a)        Die Zahnkontrollen
b)        Das Niveaumodell an der Sekundarstufe
c)         Die Finken-Tragpflicht der Schüler
d)        Das Handy-Verbot in den Schulhäusern

7. Wie viele Schulklassen aus dem „Brückenkanton“ Solothurn beteiligten sich in den vergangenen Jahren durchschnittlich an Austausch-Aktivitäten mit der Romandie?
a)        55
b)        7
c)         12
d)        150

8. Damit die Eltern von Migrantenkinder die Mitteilungen der Schulen besser verstehen können, entschloss sich eine Primarschule der Stadt Basel
a)        die Eltern zu Deutschkursen aufzubieten
b)        Elternpartnerschaften zu initialisieren
c)         interkulturelle Kochabende einzuführen
d)        Briefe in vereinfachtem Deutsch zu versenden

9. Wie wehrten sich die Stadtberner Lehrer gegen angekündigte Sparmassnahmen?
a)        Sie hängten rote Tücher aus den Schulhausfenstern
b)        Sie luden Politiker zu einem Infoanlass ein
c)         Sie streikten präventiv an zwei Vormittagen
d)        Sie offerierten einen Kurs in Finanzplanung für interessierte Politiker

10. In welchem Kanton ist es Lehrern untersagt, sich bei Missständen an die Medien zu wenden?
a)        Basel-Stadt
b)        Basel-Land
c)         Appenzell Innerrhoden
d)        Thurgau

11. Welcher Faktor hat gemäss einer Studie einen Einfluss auf den Schulerfolg
a)        Das Gewicht
b)        Das Alter der Eltern
c)         Die politische Grundhaltung der Eltern
d)        Das Sternzeichen (eigentlich das Geburtsdatum)

12. Welche dieser Fähigkeiten gehört nicht zum Basler Beurteilungsmodell für Kindergärtler im 1. Kindergartenjahr im Bereich Mathematik?
a)        Kann die Zahlenreihe vor- und rückwärts aufsagen.
b)        Kann Flüssigkeiten ihren Masseinheiten zuordnen (Deziliter, Liter, Hektoliter)
c)         Kann sortieren, Reihen bilden und Ordnungen herstellen.
d)        Kann geometrische Figuren wie Kreis und einfache Körper wie Würfel benennen.

13. Wer sagte diesen Satz: „Erst mal müssen die Schüler lernen, was ein Algorithmus ist und wie er funktioniert. Das können schon Primarschüler anhand von sehr anschaulichen Beispielen lernen. Es gibt da ganz einfache Methoden“.
a)        Ernst Buschor
b)        Bill Gates
c)         Beat Zemp
d)        Silvia Steiner

14. Wie gross ist der Anteil der Luzerner Schüler, die nach dem 8. Schuljahr die Lernziele im Fach Französisch (Bereich „Sprechen“) erreichen?
a)        55%
b)        73%
c)         34%
d)        0,9%

15. Wie verhält sich der Bündner Lehrerverband LEGR gegenüber der Doppelinitiative, die den Lehrplan 21 vors Volk bringen möchte?
a)        Er bekämpft die beiden Initiativen mit Fr. 20‘000 aus der Vereinskasse.
b)        Er weist die Mitglieder des Initiativkomitees während der DV aus dem Saal.
c)         Er befragt alle Mitglieder in einer Basisumfrage.
d)        Er verunglimpft die Mitglieder des Initiativkomitees in einer Inseratekampagne der Südostschweiz.

16. Die Gemeinde Beckenried NW ist eine Pionierin. Als erste Schule
a)        schafft sie die Zeugnisnoten ab.
b)        entfernt sie alle Computer aus der Schule.
c)         schafft sie die Schulleitung ab.
d)        schafft sie die Jokertage ab.

17. Das Trendspielzeug des Jahres 2017 war
a)        der Finger Spin
b)        der Digital Spinner
c)         das Spinning Wheel
d)        der Fidget Spinner

18. Dieser Kanton hat die längsten Sommerferien
a)        Tessin (10 Wochen!)
b)        Wallis
c)         Graubünden
d)        Baselland

19. In welchem Kanton weisen 74 Prozent der Zeugnisse formale oder inhaltliche Fehler auf?
a)        Appenzell Ausserrhoden
b)        Bern
c)         Luzern
d)        Basel-Stadt

20. Welches Land führt noch vor der Schweiz die zweite Fremdsprache als Obligatorium ein?
a)        Litauen
b)        Belgien
c)         Luxemburg
d)        Norwegen






Die neue Rektorin der PH Zug

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Seit August ist Esther Kamm (50) Rektorin der PH Zug. Mit der «Zuger Zeitung» spricht sie über ihre Eindrücke, Ambitionen, Ziele – und über die Herausforderungen, mit welchen sie die Hochschule konfrontiert sieht.
Rektorin der PH Zug: «Grenzen sollen sich stärker verflüchtigen», Zuger Zeitung, 30.12. von Andreas Faessler


Esther Kamm, liest man Ihren Werdegang, so erkennt man in Ihrer Person eine Pädagogin mit Leib und Seele. Woher rührt das?
Schon zu Schulzeiten war mir klar, dass ich mich einst für den Lehrberuf entscheiden würde. Dieses frühe Interesse war wohl auch von meinem Grossvater geprägt, der selber Lehrer war und zudem im Glarner Regierungsrat sass. Er war ein Vorbild für mich. Ich merkte auch schnell, dass ich sehr gerne mit Jugendlichen arbeite. Selber habe ich zwar keine Kinder, aber ich habe sowohl im beruflichen als auch im familiären Umfeld stets Kinder und Jugendliche um mich. Ich habe acht Jahre als Sekundarlehrerin im Kanton Zürich unterrichtet und gleichzeitig ein Zweitstudium in Pädagogik und Soziologie in Angriff genommen. Danach wechselte ich in den Hochschulsektor, zuerst an die Hochschule für Heilpädagogik, dann an die Pädagogische Hochschule in der Nordwestschweiz und schliesslich an die PH Zürich, wo ich die letzten acht Jahre tätig war.

Während Ihrer Zeit als Abteilungsleiterin der PH Zürich herrschte allgemeiner Lehrermangel. Sie haben an einem Pionierprojekt mitgewirkt: die Umschulung von Quereinsteigern zu Lehrkräften als Alternative zur herkömmlichen Lehrerausbildung. Erzählen Sie uns davon.
Das war einerseits eine sehr spannende Sache, andererseits aber eine wahre Mammutaufgabe, da wir in sehr kurzer Zeit möglichst viele fähige Personen für das Schulfeld bereitstellen mussten. Trotz viel Kritik an «Schnellbleichen» hat mich das Projekt von der Idee bis zur Umsetzung fasziniert. Man hatte mit den Quereinsteigern auf einmal eine ganz neue Gruppe an Berufsleuten im Schulfeld. Es war für uns von Seiten der PH eine echte Herausforderung, Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern umzuschulen und sie beim Aufbau einer neuen beruflichen Identität zu unterstützen.

Was sind es für Leute, die sich entscheiden, mit diesem Quereinstieg einen völlig neuen Weg zu gehen?
Es war eine sehr heterogene Gruppe. Einige fanden in ihrem bisherigen Beruf keine Erfüllung mehr, andere stellten sich die Sinnfrage und wollten stärker als bisher mit jungen Menschen tätig sein. Wieder andere hatten den Wunsch nach mehr Sicherheit im Beruf oder nach mehr Flexibilität und einer Arbeit, die familienverträglich war. Ich habe Menschen erlebt, die in ihrer neuen Tätigkeit regelrecht aufblühten. Sie empfanden das neue Feld als Berufung. Das ganze Projekt war jedenfalls eine spannende Erfahrung und zeigte uns neue, alternative Wege in den Lehrberuf auf.

Und nun sind Sie Rektorin der PH Zug. Was hat Sie dazu bewogen, sich für die Nachfolge von Brigit Eriksson-Hotz zu bewerben?
Ich muss vorwegnehmen, dass ich schon seit längerer Zeit mit Interesse auf die PH Zug geblickt habe. Es war bereits vor der Ausschreibung der Vakanz eine Wunschvorstellung von mir, das Amt als Rektorin der PH Zug anzutreten. Die Einrichtung hat schweizweit einen sehr guten Ruf, und sie ist klein, aber fein. Die PH Zug ist innovativ, hat Forschungsschwerpunkte, die es anderswo so nicht gibt. Abgesehen davon hat die Lehrerbildung im Kanton Zug eine lange Tradition. Schliesslich liegt die PH Zug an einem sehr schönen Ort. Hier am «Bildungshügel», wie das Quartier an der Zugerbergstrasse umgangssprachlich auch genannt wird, befinde ich mich mitten in einem von Bildungstradition geprägten Umfeld. Ich fühle mich sehr wohl an diesem Ort. Nach dem Stellenantritt im vergangenen August habe ich auch den Wohnort nach Zug verlegt, ganz in die Nähe der Hochschule. Mir ist es wichtig, da zu wohnen, wo meine Arbeitsstelle ist. Ich möchte mit Land und Leuten auf Tuchfühlung gehen können.

Wie haben Sie Ihre ersten vier Monate als Rektorin der PH Zug erlebt?
Sehr positiv und sehr streng! Ich habe mich in der Zwischenzeit bestens eingelebt. Ich treffe hier auf sehr engagierte Leute inner- und ausserhalb der PH Zug. Ich stelle fest, dass gute Kontakte zu den anderen Bildungseinrichtungen und -akteuren im Kanton bestehen und ein reger, unkomplizierter Austausch herrscht. Das ist nicht selbstverständlich, wie ich aus Erfahrung von grösseren Pädagogischen Hochschulen sagen kann, wo die Wege länger sind. Auch die geografische Kleinräumigkeit des Kantons Zug und die dadurch herrschende Nähe zu den Menschen sagen mir sehr zu. Das erinnert mich auch ein bisschen an meine Heimat im Glarnerland. Das ist schön und vertraut zugleich.

Aber es haben sich bestimmt auch Herausforderungen gezeigt, welche Sie als Rektorin der PH Zug angehen wollen, oder?
Ja, die gibt es sehr wohl. In den vergangenen Jahren hatte die PH Zug 1,5 Millionen Franken einzusparen, und der Spardruck dauert an. Das macht sich derzeit stark bemerkbar, denn wo Finanzen gekürzt werden, da wird auch der Handlungsspielraum für die Entwicklung und Innovation gedrosselt. Doch im Hochschulsektor ist man darauf angewiesen, sich als Institution zukunftsfähig zu machen. Um hier konkurrenzfähig zu bleiben, muss man sich permanent um die Mittelbeschaffung kümmern.

Mit dieser Aufgabe steht die PH Zug aber nicht alleine da.
Das stimmt. Für die PH Zug besteht die Herausforderung darin, dass sie den gleichen Auftrag für Ausbildung, Weiterbildung, Forschung und Dienstleistung zu erfüllen hat wie die grössten Hochschulen auch. Die PH Zug ist Mitglied der Schweizer Hochschulen, die in Gremien von «swissuniversities» zusammengefasst sind. Um den Hochschulstatus zu behalten, muss die PH Zug zeigen, dass sie diesen 4-fachen Auftrag erfüllt. Dafür steht weniger Personal zur Verfügung als in grossen Einrichtungen. Kurzum; bei uns liegen viele Verantwortlichkeiten bei wenig Leuten. Das macht die Arbeit zuweilen anspruchsvoll, aber auch vielfältig und spannend.

Wohin möchten Sie die PH Zug steuern?
In zwei Richtungen, um für die Zukunft gerüstet zu sein: hin zu den regionalen Schulen und weiter in Richtung Hochschule. Besonders grosses Potenzial für die PH Zug sehe ich in der Annäherung an die gemeindlichen Schulen, welche – so habe ich festgestellt – im Kanton Zug hervorragend organisiert und geführt sind. Obschon ein guter und enger Kontakt zu uns als Ausbildung besteht, wünschte ich mir einen intensiveren Austausch, der über die berufspraktische Ausbildung der Studierenden hinausgeht. Es bestünden zahlreiche Möglichkeiten zur stärkeren Verknüpfung. Ein Beispiel: eine Zuger Schule hatte ein Jahr lang einen Themenschwerpunkt, zu dem sie eigene Lernmaterialien zusammengetragen und Anlässe vorbereitet hat. Die PH Zug hätte zu genau diesem Themenschwerpunkt über viel Wissen verfügt und hätte mit der Schule das Jahresthema gemeinsam erarbeiten und stellenweise auch gemeinsam umsetzen können. Auch umgekehrt könnte man sich noch besser ergänzen, indem Lehrpersonen aus der Praxis in der Ausbildung der Studierenden stärker mitwirken als bisher. Ich glaube, hier läge viel Potenzial, denn gemeinsam können wir Schule und Ausbildung noch besser machen. Die zweite Entwicklungsrichtung liegt in der Erfüllung des 4-fachen Leistungsauftrags und in der ständigen Weiterentwicklung all dieser Bereiche.

Was sind derzeit Schwerpunkte und Trends im Bildungswesen?
Medienbildung wird immer wichtiger. Ein zentraler Punkt dabei ist mit Sicherheit der Umgang mit Social Media. Hier braucht es viel Bildungsarbeit mit den Lehrkräften. Und sie müssen unbedingt eine Offenheit für diese Thematik mitbringen. Auch der Themenkreis Digitalisierung, Robotik und künstliche Intelligenz ist omnipräsent. Das Lehrpersonal muss sich mit der Frage auseinandersetzen, was es bedeutet, Kinder und Jugendliche auf die zunehmende Digitalisierung in der Arbeits- und Alltagswelt vorzubereiten. Weitere Schwerpunkte sind der Umgang mit der Umwelt und natürlich die Migration. Im Zusammenhang mit Letzterer hat die PH Zug mit Multikulturalität und interkultureller Kommunikation einen Schwerpunkt aufgebaut, der in der Aus- und Weiterbildung angehender Lehrpersonen zum Tragen kommt. Auch soziale Gerechtigkeit, Wertevermittlung und Demokratiebildung sind Bereiche, mit denen sich die Ausbildung auseinandersetzen muss, um die Studierenden fit zu machen, damit sie sie später den Schülerinnen und Schülern vermitteln können.

Was macht für Sie eine gute Lehrperson aus?
Unerlässlich ist, dass sie eine Passion für ihre Tätigkeit mitbringt und auch ein Interesse für die fachlichen Inhalte. Genauso wichtig ist es, dass sie sich auf die Menschen einlassen kann, mit denen sie zu tun hat. Das sind hauptsächlich die Kinder und Jugendlichen, aber auch Eltern und Kollegen. Eine gute Lehrperson muss sich zudem aus eigenem Antrieb mit Begeisterung und Offenheit im Beruf selbstständig weiterentwickeln können.

Wenn Sie die Bildungslandschaft des Kantons Zug betrachten, was stellen Sie ihr für ein Zeugnis aus?
Seit ich hier arbeite, habe ich auf Schulbesuchen ein hohes Niveau festgestellt. Die Schulkultur ist lebendig, und es gibt sehr engagierte Lehrpersonen und Leitende auf allen Stufen. Was im Kanton Zug in positiver Weise speziell ist – jede gemeindliche Schule hat eine Rektorin oder einen Rektor, die/der die Qualität aller Schulen in einer Gemeinde im Blick hat. Das ist eine gute Ausgangslage für Schulentwicklung und Qualitätssteigerung. Auch den Berufs- und Mittelschulsektor erachte ich in Zug als innovativ. Für die stark durchmischte Bevölkerung gibt es zudem gute internationale Schulen. Jeder findet im Kanton Zug also eine passende Bildungseinrichtung, und es bestehen beste Voraussetzungen für Kooperation und Vernetzung.

Morgen ist Silvester. Was wünschen Sie sich für die PH Zug im neuen Jahr?
Ich wünsche ihr weiterhin ein gutes Klima und spannende Projekte, welche die Hochschule weiterbringen – am liebsten gemeinsam mit den anderen Schulen im Kanton. Und dass sich die Grenzen zwischen Schulen und Ausbildung stärker verflüchtigen, so dass Bildung und Ausbildung zu einer gemeinsamen Sache aller Beteiligten werden.


Zu wenig Französischlehrer in der Ostschweiz

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Die Abschaffung des Frühfranzösischen im Thurgau ist vom Tisch. Doch die jahrelange Debatte wirkt nach: Primarschulen haben Mühe, Französischlehrer zu finden. An der Pädagogischen Hochschule Thurgau ist die Zahl der Studierenden, die Französisch unterrichten wollen, auf elf Prozent zurückgegangen. Das könnte den Lehrermangel künftig verschärfen. Im Kanton St.Gallen hat sich die Frühfranzösisch-Debatte nicht ausgewirkt. Trotzdem sind Französischlehrer auch hier Mangelware.
Im Thurgau werden zu wenig Französischlehrer ausgebildet, Ostschweiz am Wochenende, 31.12. von Tobias Hänni


Mit einem äusserst knappen Entscheid wurde im Thurgau die Debatte über das Frühfranzösisch vor einem halben Jahr beendet. Mit zwei Stimmen Unterschied entschied das Kantonsparlament damals, dass auf Primarstufe weiterhin Französisch unterrichtet werden soll. Politisch ist das Thema damit vorerst vom Tisch. Doch für die Schulen wirkt der über Jahre geführte Sprachenstreit nach. «Es war schon zuvor schwierig, Französischlehrer zu finden. Doch die Diskussion über das Frühfranzösisch hat die Situation noch verschärft», sagt Thomas Minder. Für den Präsidenten des Thurgauer Schulleiterverbands ist klar: Die Debatte hat im Kanton dazu geführt, dass Primarlehrerinnen und -lehrer in ihrer Ausbildung darauf verzichtet haben, Französisch als Fremdsprache zu wählen. «Sie wollten es nicht riskieren, ein Fach zu studieren, das sie möglicherweise gar nie hätten unterrichten können.»
 
Von einem Drittel auf ein Zehntel
Tatsächlich ist an der Pädagogischen Hochschule (PH) Thurgau der Anteil angehender Primarlehrer, die sich im zweiten Studienjahr für Französisch als Fremdsprache entschieden haben, deutlich zurückgegangen. «Beim jüngsten Jahrgang beträgt er noch 11 Prozent», sagt Matthias Begemann, Prorektor Lehre der PH Thurgau. Im Jahr zuvor seien es 20 Prozent gewesen. «Normalerweise entscheiden sich etwa 30 bis 40 Prozent der angehenden Primarlehrpersonen für Französisch, mit leicht abnehmender Tendenz», sagt Begemann. Er führt den markanten Rückgang auf die Frühfranzösisch-Debatte zurück, sagt aber auch: «Mit deren Ende erwarten wir, dass Französisch in der Gunst der Studierenden wieder steigt.»

Dass sich der zwischenzeitliche Rückgang der Französisch-Studierenden bei den Schulen bereits bemerkbar gemacht hat, bezweifelt Begemann jedoch. «Die beiden betroffenen Jahrgänge schliessen erst 2018 respektive 2019 ab.» Der Mangel werde sich also frühestens im kommenden Sommer bemerkbar machen. Um ihn aufzufangen, bietet die PH Thurgau ab dem Studienjahr 2018 eine separate «Facherweiterung Französisch» an. «Diese Nachqualifikation war bislang nur als Teil der regulären Semesterveranstaltungen möglich», sagt Begemann. Die neu konzipierte Weiterbildung finde dagegen in Abendkursen statt, was sie für Lehrerinnen und Lehrer attraktiver mache. «Sie können die Lehrbefähigung für den Französischunterricht damit einfacher berufsbegleitend erwerben.»
 
Spezifische Stellenprofile schränken Auswahl ein
Keine Spuren hinterlassen hat der Sprachenstreit an der PH St.Gallen. «Das Interesse am Französisch als Fremdsprache ist nach wie vor gross», sagt Christian Thommen, Studienbereichsleiter Sprachen für die Kindergarten- und Primarstufe. Die Zahl der Studierenden mit einer Doppelqualifikation für Englisch und Französisch nehme sogar leicht zu.

Thommen ist noch nie auf einen Mangel an Lehrpersonen für den Französischunterricht angesprochen worden. «Wir erhalten von den Schulen keine Klagen, dass es zu wenig Lehrer für das Fach gibt.» Im Überfluss scheint es sie allerdings auch im Kanton St. Gallen nicht zu geben.

«Es ist schwierig geworden, Lehrkräfte für das Fach zu finden», sagt Luca Eberle, Leiter der Oberstufe Rain in Rapperswil-Jona. Kürzlich habe er eine andere Rapperswiler Schule bei der Suche nach einem Französischlehrer begleitet. «Die Zahl der Bewerbungen war extrem klein.» Letztlich hätten gerade einmal zwei Personen dem Stellenprofil entsprochen, zu dem auch der Deutschunterricht gehört. Auch an Eberles Schule ging im Sommer ein Französischlehrer in Pension, die Suche nach einem Ersatz erübrigte sich hier allerdings. «Wir konnten den Weggang mit der Rückkehr einer Lehrperson kompensieren, die zuvor ein Jahr lang unbezahlten Urlaub hatte.» Eine Luxuslösung, auf die längst nicht jede Schule zurückgreifen könne. Die meisten müssen eine neue Lehrperson suchen – für den Französischunterricht eine Herausforderung. «Französisch gehört zu den Fächern, die am schwersten zu besetzen sind», sagt auch Thomas Rüegg vom Verband der St. Galler Volksschulträger. Zumal die Schule bei einem Weggang meistens eine Lehrperson finden müsse, die nicht nur Französisch, sondern auch andere Fächer unterrichten könne. «Das führt zu sehr spezifischen Stellenprofilen, was die Auswahl an passenden Bewerbern einschränkt», erklärt Rüegg.

Vor der Bologna-Reform sei die Ausbildung von Oberstufenlehrern mit einer sprachlich-historischen (Phil I) und einer naturwissenschaftlich-mathematischen (Phil II) Ausrichtung standardisiert gewesen – was auch die Suche nach passenden Lehrkräften vereinfacht habe. «Nach dem Weggang eines Phil-I-Lehrers konnte dieser durch eine Lehrperson mit derselben Ausrichtung ersetzt werden», sagt Thomas Rüegg. Heute könnten angehende Lehrerinnen und Lehrer ihre Ausbildung viel freier zusammenstellen. «Das hat zur Folge, dass es für eine Stelle weniger passende Bewerberinnen und Bewerber gibt.»
 
Sind 30 Prozent der Lehrer fachfremd?
Dass die Schulen bei der Neubesetzung einer Stelle keine grosse Auswahl haben, führe zunehmend zu einem «qualitativen Lehrermangel», kritisierte der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) kürzlich im «Beobachter». 20 bis 30 Prozent der Lehrpersonen unterrichteten derzeit auf der falschen Stufe oder ein Fach, für das sie nicht ausgebildet seien, wird LCH-Zentralsekretärin Franziska Peterhans zitiert. Ganz so dramatisch schätzt Thomas Rüegg die Situation für den Kanton St.Gallen nicht ein. Auf der Oberstufe gebe es zwar «vereinzelt» Lehrpersonen, die Fächer unterrichteten, für die sie die Lehrbefähigung nicht haben. «Für die Primarstufe finden sich dank der Allrounder-Ausbildung hingegen immer genügend Lehrpersonen, die auf das jeweilige Stellenprofil passen.» Auch stufenfremde Lehrer kommen laut Rüegg im Kanton St. Gallen «eher selten» vor.
Patrick Keller, Präsident des St.Galler Lehrerinnen- und Lehrerverbands, beurteilt die Lage ähnlich. Er habe dazu zwar keine Zahlen, «aber ich gehe davon aus, dass die vom nationalen Dachverband genannten auf St.Gallen nicht zutreffen.» Es komme zwar unbestritten vor, dass Lehrkräfte ein Fach unterrichteten, für welches sie nicht ausgebildet seien. «Eine solche Lösung entsteht aus der Not. Sie ist besser, als gar keine Lehrperson zu haben.» Keller findet es auch nicht in jedem Fall eine schlechte Lösung. «Fachfremde Lehrer geben sich meistens wahnsinnig Mühe, den Unterricht gut zu gestalten», sagt der stellvertretende Schulleiter der Gaiserwalder Oberstufe.

Das Bildungsdepartement des Kantons St.Gallen bestätigt die Einschätzung der Verbände. Der qualitative Lehrermangel sei «nicht verbreitet», schreibt Generalsekretär Jürg Raschle auf Anfrage. Auf Kindergarten-, Primar- und Oberstufe besitzen gemäss Kanton derzeit 95 Prozent der Lehrpersonen ein stufengerechtes Diplom. Ausnahmen sind die Reallehrer (rund 92 Prozent) und die Schulische Heilpädagogik (knapp 81 Prozent). Gegen den Mangel an Heilpädagogen, auf den auch die Verbände hinweisen, werden laut Raschle «verstärkte Anstrengungen unternommen». So soll die an der PH St. Gallen bislang mit Unterbrüchen durchgeführte Ausbildung im Jahresrhythmus angeboten werden.


Kritischer Zwischenruf zu den Schulpreisen

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Schulen werden prämiert. Kriterien sind methodengeleitete Merkmale wie selbstorientiertes und computerbasiertes Arbeiten. Von lernwirksamem Unterricht ist wenig zu hören. Ein kritischer Zwischenruf.
Schulpreise für schöne Äusserlichkeiten, Journal21.ch, 2.1. von Carl Bossard

„Schweizer Schulpreis“ – so heisst er grossmäulig, und er geht jedes zweite Jahr an „innovative und zukunftsorientierte Schulen“. Wer sich auf der Website des Vereins nach zielgeleiteten, konkreten Kriterien kundig macht, ist enttäuscht. Er findet sie nicht. Stattdessen stösst er auf öffentlichkeitswirksame Schlagworte wie „Schülerinnen und Schüler [nehmen] ihr Lernen selbst in die Hand“ oder „Schulen [pflegen] pädagogisch fruchtbare Beziehungen zu ausserschulischen Personen und Institutionen sowie zur Öffentlichkeit“.
Luftige Pläne und ziellose Zukunftskonzepte
Wo solche Preise vergeben werden, sind Floskeln nicht weit. Belohnt werden Worthülsen oder „Claims“, wie sie die Werbesprache nennt. Da heisst es zum Beispiel von einer prämierten Gemeinde: „Vorbildlich ist die Schule, weil sie zeigt, wie eine grosse Schule mit verschiedenen Schuleinheiten einen gemeinsamen Entwicklungsprozess anstossen und vorantreiben kann. Die Schulen [nn] erhalten den Schulpreis für einen sorgfältig erarbeiteten und ausgezeichnet umgesetzten Changemanagement-Prozess, der für viele andere Schulen, die sich auf den Weg machen wollen, Vorbild und Musterbeispiel sein kann.“ Verkündet hat diese frohen Worte Vladimir Petković, Trainer der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.
Wie das gemacht wird, wohin dieser Weg führt und welche Ziele der „Changemanagement-Prozess“ erreichen soll, von all dem sagte Petković nichts. Geschweige denn, was sich in dieser Schulgemeinde in der Zwischenzeit verändert und welche Lernfortschritte sie bei den Kindern erreicht hat.
Oberflächenmerkmale mit geringem Effektwert
Wer näher heranzoomt und die preisgekrönten Merkmale mit John Hatties vielfach bestätigten Wirkfaktoren verbindet, erkennt schnell: Da dominieren Oberflächensignaturen, da figurieren Faktoren, die praktisch keinen Effekt erzielen. Beim „Schweizer Schulpreis“, gesponsert von deutschen Stiftungen und Protagonisten einer „neuen“ Schule, geht es wohl weniger um lernwirksamen Unterricht als um schöne Äusserlichkeiten wie altersdurchmischtes und selbstorientiertes Lernen oder webbasiertes und individualisiertes Arbeiten. Nach Hattie aber kommt all diesen Faktoren eine sehr geringe Wirkkraft zu. Jahrgangsübergreifende Klassen z.B. erzielen nur gerade eine Effektstärke von 0.04. [1] Die Massnahme bleibt also – kognitiv wie sozial – wirkungslos. Und die Heterogenität heutiger Klassen künstlich steigern ist kein Ziel.
Nur die Effektwerte, und zwar hohe, machen eben sichtbar, was ein pädagogisches Konzept beinhaltet und konkret für das Lernen der Kinder bedeutet. Wohlklingende Theoriebegriffe alleine verfügen über keine Wirkungsgarantie in der Praxis, so wenig wie ein Frostschutzmittel gegen Durst hilft.
Innovativ ist nicht per se gut und erstrebenswert
Seit zweieinhalb Jahren gibt es sie, die Sekundarschule Sandgraben am Badischen Bahnhof von Basel, und schon wurde sie für ihre „zukunftsgerichteten und richtungsweisenden“ Innovationen prämiert. Sie gehört damit zu den Vorzeige- und Modellschulen des Landes. Doch wie geht das? Wie kann man innert so kurzer Zeit Effektwerte messen und hohe Lernwirksamkeit? Das ist doch der Kern, wenn wir von anspruchsvollem Unterricht und guter Schulqualität sprechen?
Dazu der renommierte deutsche Erziehungswissenschaftler und Schulforscher Andreas Helmke: „Was mich immer wieder nervt: Die naive Einstellung, etwas sei schon deshalb gut und erstrebenswert, weil es "neu", "innovativ", "modern" ist. Viele Erkenntnisse und Prinzipien, z.B. der Lern- und Gedächtnispsychologie, sind zwar "alt" und definitiv nicht "modern", aber zeitlos gültig.“ [2] Doch von solch alterungsresistenten Grundsätzen steht in den wortreichen Laudationes des Schweizer Schulpreises kein Wort.
Wie Kaninchen – moderne Käfighaltung von Kindern
Als neu und revolutionär gilt auch digitales Lernen. Lernsoftware bereits im Kindergarten fordert darum das amerikanische Unternehmen Microsoft. E-Learning mutiert zum modernen Zauberwort. Die Schulen rüsten auf. Möglich macht’s das Attribut „innovativ“.
Das Bild der prämierten Sekundarschule Sandgraben Basel spricht Bände. Jede Schülerin für sich, jeder Schüler allein, alle isoliert, obwohl der menschliche Dialog seit Platon immer wieder als lernfördernd erkannt wird.

Erst zweieinhalb Jahre jung und bereits ausgezeichnet: die Sekundarschule Sandgraben am Badischen Bahnhof (Bild: Roman Weyeneth/Stücheli Architekten AG)
Jeder sein eigener Lerner: So sieht der Unterricht der Zukunft die meiste Zeit aus, wenn es nach den Plänen der deutschen Bertelsmann-Stiftung und ihrer Exponenten Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt geht. [3] Während unzähliger Stunden gibt es kein Miteinander, keinen sozialen Austausch, nur individuelles Arbeiten am PC. Grossraumbüros bereits für kleine Kinder. Die Digitalindustrie pusht diese Innovation, Stiftungen prämieren sie, Pädagogische Hochschulen und der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH wirken mit.
Online-Learning zum Konsolidieren
Dabei ist Lernen ein dialogisches Geschehen, ein zwischenmenschlicher Austausch. Das zeigt die Lernpsychologie, das belegt die Neurowissenschaft. Der Hirnforscher Gerhard Roth sieht den Wert des Online-Learnings primär im Konsolidieren eines vorher erworbenen Wissens, nicht aber im Generieren neuer Erkenntnisse und Einsichten. Dazu braucht’s, so Roth, die kompetente und vertrauenswürdige Lehrperson. [4] Auch bei John Hattie erreicht webbasiertes Lernen lediglich den vernachlässigbaren Effektwert von 0.18.
Eine zentrale Rolle im Unterricht spielt die Beziehungsebene oder der "pädagogische Bezug", wie man früher sagte. Darum gilt es als unbestritten: Eine Atmosphäre des Vertrauens und Zutrauens, der Fürsorge und des Wohlwollens ist unverzichtbar für Bildung und schulische Leistung. Eine einfache pädagogische Wahrheit. In John Hatties empirischen Studien erreicht sie den hohen Wirkfaktor von 0.72.
Unterricht als „Meeting of Minds“
Unterricht hat per se eine dialogische Struktur. Nicht umsonst entdecken Didaktiker jeder Generation das „sokratische Gespräch“ neu. Lernende und Lehrende begegnen sich im Schulstoff und in der Gemeinschaft der Klasse. Der Unterricht wird so zum sozialen Austausch zwischen Personen, zum "Meeting of Minds", wie es der grosse amerikanische Philosoph John Dewey nannte. Das schliesst digitale Lernsequenzen nicht aus. Im Gegenteil. Immer aber kommt es auf den einzelnen Lehrer an, auf den analogen Umgang zwischen ihm und seiner Klasse – und den Schülern untereinander. Gutes, unterstützendes Klassenklima bewirkt viel – genauso wie die humane Energie des Lehrers für seinen Beruf.
Keine I-Pads oder I-Phones für Steve Jobs‘ Kinder
Das ist in der Käfigatmosphäre des digitalisierten Grossraum-Schulzimmers, in diesem ökonomisierten und technisierten Gebilde mit den engen Boxen, nicht mehr möglich und auch nicht gewollt. Wird der Bildschirm zum dominanten Bezugspunkt, verdrängt er die soziale Dimension von Bildung. Nicht umsonst wählten Bill Gates und Steve Jobs für ihre eigenen Kinder einen analogen Unterricht; sie schickten sie in Waldorf-Schulen – ohne I-Pads und ohne Tablets. Ob wir uns solch digitalisierte Klassen wünschen? Big Brother is Teaching You! Arme Kinder! Reich wird wohl nur die Digitalindustrie. Ihr Sponsoring von Schulpreisen scheint nicht ganz uneigennützig.
[1] Hattie John, Visible Learning. London, New York: Routledge 2009. / Hattie John/Beywl Wolfgang & Zierer Klaus, Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013. Hatties umfangreiche Meta-Meta-Studie gilt international als Referenz. Gemäss Hattie hat z.B. Lehrerfeedback einen Effektwert von d = 0.75, individualisierender Unterricht lediglich eine Wirkung von d = 0.22.
[2] In einem persönlichen Mail vom 15.09.2016 an den Verfasser.
[3] Jörg Dräger, Ralph Müller-Eiselt, Die digitale Bildungsrevolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2015. Der eine ist Vorstand, der andere Bildungsexperte der Bertelsmann-Stiftung.

[4] Gerhard Roth, Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt. Stuttgart: Klett-Cotta 2011.

Vor 50 Jahren war 1968

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Ulla Mank-Müller hat ihre Ordner und Bücher noch nicht aus ihrer vollgestopften Arbeitsecke im Schlafzimmer weggeräumt. Sie ist eine der 68er-Lehrerinnen, die inzwischen pensioniert sind. Eine kleine, schlanke Frau mit weitem Hemd und knallrot gefärbten, kurzen Haaren. Seit 30 Jahren lebt die heute 67-Jährige mit ihrem Mann in einer großen Berliner Altbauwohnung.
Bloss nicht autoritär sein, Zeit, 5.7.2017, von Parvin Sadigh


Sie zieht ein paar Heftchen aus dem Regal: Die Bottroper Protokolle, Angestellte erzählen, wie sie an ihrem Arbeitsplatz ausgebeutet werden. Im Deutschunterricht wollte sie die behandeln. Ein anderes Thema lautete: "Literatur als Spiegel bürgerlicher Emanzipation". So hatte sie sich das im Studium gedacht. Heute findet sie das selbst lustig: "Statt den Schülern Jugendbücher anzubieten, mit Themen, die sie persönlich bewegen, haben wir sie schrecklich gelangweilt."

Die 68er wollten die Gesellschaft verändern und wo war ein besserer Ort dafür als in der Schule? Mit dem Kapital von Marx, mit Summerhill School von A. S. Neill oder Materialien wie den Bottroper Protokollen hatten sie sich präpariert. Hart prallten ihre Ideen auf die Realität der Kinder und Jugendlichen. Doch Ideologie allein motivierte sie nicht. Die Generation von Mank-Müller hatte selbst oft zwanghafte, autoritäre Eltern und Lehrer erlebt. Sie wollten diese Welt hinter sich lassen. Mit diesem persönlichen Impuls haben die 68er die Schule wirklich zu einem besseren Ort gemacht. Lehrer, die ihre Macht mit Drohungen, Demütigungen und Spott ausüben, gibt es zwar noch heute, aber die Mehrheit der Eltern und Kollegen lehnen diese Methoden ab.

Wenn Mank-Müller Bilder aus dem Familienalbum zeigt, sieht man, wie rasant sich das Mädchen Ursula Mank in der Zeit um 1968 veränderte. 1966, mit 16, trug sie einen Betty-Barclay-Mantel und Pumps. Sie ging in die Kirche und war eine fleißige Schülerin. 1967, mit 17, kam sie vom Sprachkurs aus Swinging London im Minirock und mit offen fliegendem Haar wieder. Wie The Shrimp, das britische Model Jean Shrimpton, wollte sie aussehen. Aber nicht nur die damenhaften Kleider, Frisuren und Schuhe sollten verschwinden.
Im selben Jahr hatte sie ein Schlüsselerlebnis in einem christlichen Sommerlager. Ein Religionsphilosoph diskutierte mit den Jugendlichen über den Glauben. Und ließ sie wissen: Zweifel an Gott sind erlaubt. "Ich habe geweint vor Glück", erinnert sich Mank-Müller. Sie hatte bisher nicht erlebt, dass Erwachsene ihre Ideen und Gefühle ernst nahmen. Und sagt: "Mein Vater hätte mich für den Beelzebub persönlich gehalten, wenn ich ihm anvertraut hätte, dass ich nicht mehr an Gott glaube."

Im Republikanischen Club in ihrem Heimatort Herne diskutierten die Schüler über Konsumterror und die verkrustete, spießige Gesellschaft. Mank-Müller sah Rudi Dutschke im Fernsehen und war hingerissen von seinen Reden. Vieles von dem, was er sagte, blieb abstrakt. "Aber seine Augen blitzten", sagt sie "und wir verstanden, dass es darum ging, Autoritäten an den Universitäten zu entmachten." Ihre Noten in der Schule wurden schlechter. Sie schlich sich aus dem Haus, um Jungs zu treffen und tanzen zu gehen. Sie las Sartres Das Spiel ist aus und sah im Kino Easy Rider und Blow Up.

West-Berlin war ganz weit weg
Im Oktober 1968 zog sie nach West-Berlin. Es lagen nicht nur viele Kilometer zwischen Berlin und Herne. Die Stadt war auch deshalb so schön weit weg, weil ihre Eltern sich nicht trauten, die Transitstrecke durch die DDR zu fahren. Sie schrieb sich in Politikwissenschaften am linken Otto-Suhr-Institut der FU Berlin ein, wohnte, kochte und feierte im Studentenheim mit Iranern und Palästinensern. "Internationale Solidarität und Multikulti war für uns nicht abstrakt", sagt sie, "wir haben das gelebt."

Bald entschied sie, Lehrerin zu werden. "Ich wollte gesellschaftlich wirken", sagt sie. Und sie wollte an ihre späteren Schüler weitergeben, was sie selbst gerade erlebte: frei sein. Selbst entscheiden, was man lernen will. Festgefahrene Strukturen hinterfragen. Sie wählte Germanistik dazu, später Psychologie und Pädagogik.

Auch ihr politisches Engagement war geprägt von der Sehnsucht nach individueller Freiheit. "Ich wollte den Sozialismus, aber keine bessere DDR", sagt sie. Die sei ihr zu zwanghaft gewesen. Sie traf sich mit anderen Studenten zu den sogenannten Kapitalkreisen. Alle drei Bände des Kapitals von Karl Marx habe sie durchgelesen, sagt sie. "Diese Kreise haben eine große Rolle dabei gespielt, wie ich mir das Lernen vorgestellt habe. Jedes Mal haben wir gemeinsam entschieden, was wir lesen und welchen Aspekt wir diskutieren." So einen Unterricht wollte sie machen. Auch an der Uni lautete die neue Maxime: Lehrer sollten aktivieren, aber möglichst nicht disziplinieren. "Intrinsisch motiviert" sollten die Schüler lernen. Das passte zu ihrer Abneigung gegen alles Autoritäre. Sie sagt: "Ich wollte auf keinen Fall werden wie mein Vater, also autoritär."

Der, von Beruf Zugschaffner, hatte mal gesagt, Hitler habe nur drei Fehler gemacht: die Juden vergasen, mit Russland Krieg führen und die Kirche angreifen. Besonders Letzteres fand er als gläubiger Christ empörend. Die Prügelstrafe hingegen fand er normal. Dass es auch eine andere, professionelle Autorität geben könnte im Gegensatz zur demütigenden oder gar latent faschistischen, hat Mank-Müller erst viel später gelernt, als sie vor Schülern stand, die ganz und gar nicht intrinsisch motiviert waren.

Was wollen wir lernen? Nichts!
Nach dem Referendariat nahm sie 1976 ihre erste Stelle an der neu gegründeten Bettina-von-Arnim-Gesamtschule im Märkischen Viertel in Berlin an. Eine Trabantenstadt im Nordwesten. "Da wollte ich hin, das fand ich gut." Die Lehrer arbeiteten in Jahrgangs- und Fachteams. Sie tauschten Materialien aus und besprachen ihre Methoden. Der Plan: Schichtübergreifend lernen alle Kinder gemeinsam. Projektarbeit war fest verankert im Stundenplan: Hier sollten die Schüler Ideen und Pläne für ein eigenes Projekt entwickeln, selbstständig und im Team arbeiten und am Ende ein fertiges Produkt vorweisen können.
Mank-Müller erzählt, zu ihren Literaturprojekten sei kaum einer gekommen, sogar Theaterspielen war den Schülern schon zu verkopft. Stattdessen waren die Spaßprojekte voll: Kristalle züchten, Sport, Schmuck basteln etc. "Irgendwann habe ich meinen Frieden mit Kochen gemacht", sagt sie. 16 Schüler bereiten ein viergängiges Menü vor. Zumindest auf der sozialen Ebene haben sie dabei viel gelernt. Schließlich mussten sie sich miteinander abstimmen und am Ende sollte es allen schmecken.

Heute sagt Mank-Müller, dass es eine große Illusion war zu glauben, man könnte alle Kinder eben mal anspruchsvolle Themen selbst finden und erarbeiten lassen. Ihre Schüler im Märkischen Viertel lebten im sozialen Wohnungsbau. Die Eltern waren eher ungebildet und erzogen ihre Kinder entweder autoritär oder gar nicht. Die Schichten mischten sich auch dort nicht, im Gegenteil, die soziale Unterschicht blieb ganz unter sich. Wenn sie in den Unterricht kam und fragte: "Was wollen wir lernen?", antworteten die Jugendlichen: "Nichts." Sie testeten erst mal aus, wie weit sie gehen konnten und ob sich die Lehrerin wohl durchsetzen konnte. "Da spuckte einer auf den Boden – aber ich wollte ja nicht disziplinieren. Außerdem fand ich meinen Stoff viel interessanter." Sie hat sich in unendliche Diskussionen verwickeln lassen und kam nicht zum Unterrichten.

Später habe sie dann klare Grenzen gesetzt. Spucken verboten. "Mir ist klar geworden, dass ich mehr Sozialarbeiter sein musste als Lehrer, Erziehen vor dem Lernen kommen musste." Sie habe dabei gelernt, dass es eine professionelle Autorität gibt, die mit der ihres Vaters nichts zu tun hatte. "Lehrer müssen ihre Rolle klar ausfüllen, um Orientierung geben zu können. Ich habe meine Entscheidungen immer begründet – aber nicht mehr geglaubt, die Schüler könnten alles allein entscheiden."

Am Gespräch dranbleiben, selbstständig arbeiten, aufeinander Rücksicht nehmen – all das musste an der Gesamtschule erst einmal eingeübt werden: Sie teilte den Stoff in kleine Häppchen. In diesem engen Rahmen klappte es dann auch mit der intrinsischen Motivation.

Lehrer müssen eine Beziehung zu den Schülern haben
Manchmal war der Frust groß. Einmal, auf einer Klassenfahrt, hatte sie einen Musikabend geplant. Die Schüler rannten rein und raus, keiner nahm sich die Zeit, hinzuhören. Sie lief weinend in ihr Zimmer, der Boykott fühlte sich wie eine persönliche Niederlage an. Was er dann aber doch nicht war. Dietmar, der Rädelsführer unter den Jungen, klopfte an ihre Tür und sagte: "Sie können jetzt wieder runterkommen, wir sind alle da." Mank-Müller kommen wieder die Tränen, wenn sie daran zurückdenkt. Sie hat sich verändert, dazugelernt, ein paar ideologische Konstrukte der Realität angepasst, aber ihre Ideale nie wirklich aufgeben müssen.

Das Wichtigste, was sie in Situationen wie dieser gelernt hat, sagt sie heute, war, dass Lehrer eine Beziehung zu den Jugendlichen aufbauen müssen. Wenn die Schüler gemerkt haben, dass sie ihr wichtig waren, konnten Wunder geschehen. Sie erinnert sich etwa an Ralf, einen coolen Quatschmacher, der die ganze Klasse am konzentrierten Arbeiten hinderte. Der sich aber plötzlich am Unterricht beteiligte und damit sogar seine Clique ansteckte. Mank-Müller hatte ihm gesagt, dass es ein Jammer sei, wie er seine Begabung verspielte und damit seinen Realschulabschluss. Er erwiderte: "Kann Ihnen doch egal sein, ob ich Haupt oder Real mache." Aber sie versicherte ihm: "Du bist mir nicht egal." Am Ende des Schuljahrs hatte er den Realschulabschluss geschafft und bedankte sich bei ihr. Ein kleiner Satz kann einen großen Anstoß geben.

Wechsel ans Sanatorium, das Gymnasium
16 Jahre blieb sie im Märkischen Viertel. Dann wechselte sie ans "Sanatorium", wie ihre ehemaligen Kollegen witzelten. An ein Gymnasium in Steglitz mit altsprachlichem Schwerpunkt. Anonyme Flure, Lehrer als Einzelkämpfer und Schüler fast ausschließlich aus bürgerlich-konservativen Familien, die gute Noten verlangten – all das, was sie nie wollte. "Aber es war eine tolle Erfahrung", erinnert sich Mank-Müller. Sie konnte endlich mit Schülern arbeiten, die von sich aus lernen wollten. Zunächst einmal, weil ihnen gute Noten wichtig waren, aber auch, weil sie Spaß hatten, wenn man ihnen etwas zutraute und sie loslaufen ließ.

Ein paar Jahre später fand sie einen schönen Kompromiss an einem Wilmersdorfer Gymnasium, an dem sich die Schichten besser mischten, bildete danach Referendare aus und landete nach der Wende an einer Schule am Prenzlauer Berg als Fachbereichsleiterin für Deutsch: eine Wessi-Lehrerin, die den Ossi-Lehrern vorgesetzt wurde. Wieder eine neue Herausforderung. Aber mit ihrer Rolle als Autoritätsperson haderte sie da längst nicht mehr.
Wie hat sie die junge Generation Lehrer erlebt, die inzwischen übernommen hat? Sehr ehrgeizig, sagt sie und theoretisch viel besser vorbereitet. Aber auch viel pragmatischer: "Diesen gesellschaftsverändernden Anspruch haben die zwar nicht mehr. Der Praxisschock trifft sie trotzdem immer noch genauso hart wie uns." Es sollte viel mehr Zeit zum Austausch und zur Kooperation geben, findet Mank-Müller. Die Alten könnten den harten Einstieg mildern, die Jungen den Alten digitale Medien nahebringen. So nebenbei funktioniert das nicht. Aber über die pädagogischen und didaktischen Ideale gibt es kaum noch Differenzen.


Bundesgericht: Höchstens 16 Franken pro Tag für Skilager

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200 Franken müssen Eltern im Baselbiet derzeit zahlen, wenn ihr Kind ins Schulskilager geht. Das ist zwar weniger als die Hälfte der tatsächlich anfallenden Kosten für Reise, Unterkunft, Verpflegung, Leitung und Skiabo – aber trotzdem zu viel. Das muss man aus einem Urteil schliessen, das das Bundesgericht vor einem Monat gefällt hat. Es ging dabei um Elternbeiträge an Thurgauer Schulen. Die Richter wiesen auf das Recht auf kostenlose Grundschulbildung hin, das in der Bundesverfassung verankert ist. Demnach dürfen den Eltern «nur diejenigen Kosten in Rechnung gestellt werden, die sie aufgrund der Abwesenheit ihrer Kinder einsparen», also konkret nur die Verpflegungskosten. Diese beziffert das Bundesgericht auf 10 bis 16 Franken pro Tag, je nach Alter des Kindes. Bei einem fünftägigen Lager wären das maximal 80 Franken. Die Baselbieter Eltern zahlen derzeit also mehr als doppelt so viel als erlaubt. Klagt jemand wegen zu hoher Beiträge, dürften die Erfolgsaussichten nach dem jetzigen Urteil gut sein. 
Können sich die Kantone Skilager weiterhin leisten? Bild: bz Archiv

Skilager sind in Gefahr, Basellandschaftliche Zeitung, 4.1. von Michel Ecklin


Damit hat die Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) nicht gerechnet. «Der Entscheid ist für uns ganz neu», sagt Sprecherin Monique Juillerat. Darum könne man noch nicht sagen, wie der Kanton reagieren werde. Klar ist allerdings nach dem Bundesgerichtsurteil: Wie manch ein anderer Kanton muss sich das Baselbiet ein neues Finanzierungsmodell für Schullager und sonstige ausserschulische Anlässe ausdenken. 

Der Staat soll übernehmen 
Denkbar ist, dass der Kanton die vollständigen Kosten abzüglich der erlaubten 16 Franken pro Tag übernimmt. Das wären im Baselbiet fast 500 Franken pro Kind und Lager. Dafür wäre aber ein politischer Entscheid erforderlich, vermutlich von der Regierung. Wie viel Geld der Staatskasse entnommen werden müsste, hat laut Juillerat noch niemand berechnet. Doch dass es überhaupt so weit kommt, bezweifelt der Geschäftsführer des Lehrerinnen- und Lehrerverbands Baselland, Michael Weiss. «Niemand will das zusätzlich zahlen», meint er. Für wahrscheinlicher hält er es, dass die Schulen auf Lager verzichten – was er für bedauerlich hielte. Skifahren lernen sei zwar nicht Teil des Lehrplans. «Aber die Schüler sollen gemeinsame Erlebnisse haben und Verantwortung übernehmen, etwa beim Kochen. Und sie können in Lagern die Lehrer mal von einer anderen Seite kennen lernen.»

Als kürzungsgefährdet erachtet Weiss zudem Projektwochen, Profilwochen in Schwerpunktfächern oder auch Begegnungen mit Klassen aus der Romandie. Solche Anlässe könnten jetzt wegfallen. Denn die Regierung werde sich wohl auf den Standpunkt setzen, keine Schule sei gezwungen, welche durchzuführen. 

Auch Basel muss über die Bücher 
So weit möchte es die BKSD nicht kommen lassen. «Generell gehören Lager, Projektwochen und Schulausflüge zum festen Bestandteil eines Schulalltags», sagt Juillerat. Gefördert würden dort kognitive und motorische Fähigkeiten, zudem das Sozialverhalten und das Zusammengehörigkeitsgefühl. «Es wäre ein grosser Verlust, wenn dies nicht mehr stattfinden könnte.» 

Ganz ähnlich wie im Landkanton sieht die Lage in der Stadt aus. Details, wie man mit dem Urteil umgehen soll, können die Verantwortlichen nämlich auch in Basel noch nicht geben. «Das Erziehungsdepartement hat vom Urteil Kenntnis genommen und wird den Entscheid analysieren und die rechtliche Situation gegebenenfalls neu beurteilen», schreibt der Medienverantwortliche Simon Thiriet. 

Er beziffert die Kosten eines einwöchigen Skilagers auf durchschnittlich 300 bis 350 Franken, für sonstige Lager auf rund 100 Franken. Der Kanton erteilt individuelle Ermässigungen, entsprechend dem Anspruch der Eltern auf Krankenkassenprä- mienermässigung. Bei gewöhnlichen Lagern erhalten Eltern 50 bis 70Franken, maximal 130 Franken bei Skilagern. «Grundsätzlich stehen wir inhaltlich zur Regelung, wie sie in Basel-Stadt schon seit Längerem angewendet wird», sagt Thiriet. Doch angesichts der Zahlen dürfte das Urteil des Bundesgerichts auch in Basel einigen Veränderungsbedarf schaffen.

Österreichische Regierung will Inklusion zurückschrauben

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Bildung als Abarbeiten von Zielen beziehungsweise als Sammeln von Kompetenzen zu beschreiben, ist zwar modern, aber aus allgemeinpädagogischer Perspektive kaum argumentierbar. Vielmehr bezeichnet Bildung doch einen Form(ungs)prozess, der Person und Welt wechselseitig in Verbindung setzt. Sein Antrieb ist die Rousseausche Imperfektibilität, also der Anspruch, aus einer personalen Unbestimmtheit durch und in Praxis (verschiedene Formen der Tätigkeit) Gestalt anzunehmen. 
Türkis-blaues Sonderschulwesen: Was für ein Rückschritt! Standard, 2.1. Userkommentar von Robert Schneider


Diese konstitutive "Unfertigkeit" wird aber keinesfalls überwunden, sondern bleibt – wenn auch verändert – immer aufrecht. Sie ist weder zu vermessen, noch moralisch zu bewerten, sondern anthropologisch-pädagogisches Prinzip. Der sich abzeichnende Evaluationismus des Regierungsprogramms im Kapitel Bildung (Seite 59) sei mit einem Satz C. S. Lewis' aus den 1940er Jahren kommentiert: "Wer alles durchschaut, sieht nichts mehr", umso mehr, wenn es sich um Menschen und ihre Selbstbestimmungsprozesse handelt. 

Schule ist kein Ego-Projekt um Marktanteile 
Doch nun zur inklusionspädagogischen Kritik, im Konkreten auf die Festsetzung, ein "Bewährtes differenziertes Schulsystem [zu] erhalten und aus[zu]bauen". Sowohl das historische Argument spricht gegen ein äußerlich differenziertes Schulsystem, als auch die pädagogische Theorie. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und Johann Friedrich Herbart – um wenige Klassiker zu nennen – haben gegen die staatliche Schule insofern argumentiert, dass diese lediglich auf das "äußere Betragen" abziele und – das für Bildung relevante – Innere des Menschen verfehle. Nicht bloß, dass Ernst Christian Trapp für diese Schulen sehr früh die Tendenz der "Mittelköpfe" bemerkte – das heißt, die Illusion, dass Schüler und Schülerinnen einer Klasse und einer Schulform gewissermaßen ein homogenes Ganzes darstellten –, sondern vielmehr noch greift das Schleiermachersche Argument aus dem Jahr 1826 noch heute: "Es wäre frevelhaft, die Erziehung so anzuordnen, dass die Ungleichheit absichtlich und gewaltsam festgehalten wird auf dem Punkt, auf welchem sie steht. Dies würde eine Hemmung der menschlichen Natur verraten". 

Zudem – das entspringt einer Denkfigur des einflussreichen Philosophen Georg Simmel – stellt ein weiter und vager Raum der Gemeinsamkeit mit reicher Vielfalt und Möglichkeiten pluralistischer Wechselwirkungen ein ungemein "effektiveres" Entwicklungsmoment für Individualität dar, so diese differenziert und unverwechselbar sein sollte. Umgekehrt: leidet die Individualität als Einzig(artig)keit in ihrer Unverwechselbarkeit an einer eng gefassten und klar strukturierten "Gemeinschaft". Mit Simmel darf angenommen werden, dass die Weite und Vielfalt von Gemeinschaft Individualitäten unverkennbarer und selbstbestimmbarer mache. Bildung, so lässt sich das erste Argument aufgreifen, ist (auch) kooperative Tätigkeit und kein Ego-Projekt. 

Menschenrechte sind ein Prozess 
Zudem wird die "Wiedereinführung der sonderpädagogischen Ausbildung" (Seite 62) gefordert, was – da ist das Programm konsequent – zu "Erhalt und Stärkung des Sonderschulwesens" führen solle. Nicht bloß, dass die neue Regierung damit knapp 30 Jahre Integrations- und Inklusionspädagogik und ihre differenzierte Theoriebildung und Praxistransformation zurückdreht, ist sie auch maßlos und grenzüberschreitend. Georg Feusers Bemerkung "Zum Verkommen eines Gesellschaftsprojekts" müsste – mit Blick auf das Programm – nicht bloß bestätigt, sondern als Destruktion gewertet werden. Denn: Was hier als Ziel ausgewiesen wird, widerspricht der in dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen genannten Bewusstseinsbildung (Art. 8) "auf allen Ebenen des Bildungssystems" ebenso, wie der bildungstheoretischen Ausrichtung. 

Ganz im Humboldtschen Sinne wird in Artikel 24 (1a) gefordert, dass die "menschlichen Möglichkeiten (…) und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung" gebracht werden sollen sowie "die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken" sind. Eben dieser (Bildungs-)Auftrag lässt sich – obigem Gedanken in Anlehnung an Simmel folgend – nicht in einer stark konturierten und "engen" Gemeinschaft oder in einem "Sonderraum" realisieren, sondern bedarf der Weite und Vielfalt an möglichen Wechselwirkungen. 

Eine solidarische Gesellschaft, die sich ihrer Vergessenen wieder erinnert, setzt bei der Befreiung Diskriminierter an und anerkennt die Fremdheit jedes anderen Menschen. Und: Sie eröffnet nicht Schauplätze des inszenierten Kampfes um "Land" unter den vulnerablen und bedrohten Menschen. Henry David Thoreau ist zuzustimmen, wenn er Mitte des 19. Jahrhunderts schreibt: "Eine Körperschaft habe kein Gewissen, sagt man, und das stimmt auch; doch eine Körperschaft, die aus gewissenhaften Menschen besteht, ist eben eine Körperschaft mit Gewissen". Die Hoffnung bleibt bestehen, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Regierungserklärung den "Hausverstand" ins Treffen geführt, der als angeborener Verstand der inneren Richterin durchaus verwandt ist. (Robert Schneider, 2.1.2018) 

Robert Schneider ist Professor für Erziehungswissenschaft im Bereich Inklusion und Leiter des Fachbereichs Inklusionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Salzburg. - 

Weniger Bezugspersonen in den Schulen

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Jürg Forster, Zürichs langjähriger oberster Schulpsychologe, spricht über die Jugend und die Schule von heute.

"Smartphones sind eher ein Gewinn", Bild: Chris Iseli
"Man redet zu viel über Probleme statt über Stärken", Landbote, 3.1. von Matthias Scharrer

Herr Forster, nach 23 Jahren als Leiter des schulpsychologischen Diensts der Stadt Zürich gehen Sie in Pension. Zeit für eine Bilanz: Was zeichnet die Jugend von heute aus?
Jürg Forster: Sie will mitreden, ernst genommen werden. Sie will mit ihren Freundinnen und Freunden ungestört kommunizieren können. Früher fand das eher mündlich statt, indem man abgemacht und sich besucht hat. Heute ist das auch online möglich.

Ist das auch ein Verlust?
Ich finde, das ist eher ein Gewinn.

Inwiefern?
Es bietet zusätzliche Möglichkeiten, sich auch mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, die weiter weg sind. Das gibt Rückhalt. Auch Einzelgänger können so eher Kontakte pflegen.

Aus Elternsicht ist das Thema Smartphones für Kinder eine zweischneidige Sache. Was empfehlen Sie?
Ich empfehle Eltern, mit den Jugendlichen darüber zu reden, wie sie das Smartphone nutzen – und sich die Apps und Games, die sie spielen, von ihnen zeigen zu lassen. Eltern, die mit ihren Jungen eine gute Gesprächskultur pflegen, merken früher, wenn das Gamen zum Problem wird.

Was sind die Alarmzeichen?
Wenn ein Kind nicht mehr ansprechbar ist für andere Aktivitäten. Auch wenn die Schule zu kurz kommt, ist das ein Alarmsignal. Manchmal gibt es dann einen Knick bei den schulischen Leistungen. Der muss nicht unbedingt auf Onlinesucht zurückzuführen sein. Dahinter können auch andere Schwierigkeiten stecken, die durch qualifizierte Fachleute abgeklärt werden sollten.

Wie kann man einem Jugendlichen helfen, von einer Onlinesucht loszukommen?
Über ein vertrauensvolles Verhältnis, in dem man offen darüber reden kann, wenn etwas ist – ohne, dass es deswegen zum Bruch kommt.

Aber besteht das Problem in solchen Situationen nicht gerade darin, dass sich Jugendliche immer mehr zurückziehen und kaum noch ansprechbar sind?
Es gibt solche Phasen. Die sind schwierig durchzustehen. Wenn sie länger anhalten, lohnt es sich, Hilfe von Dritten zu holen. Das können Schulpsychologen sein oder auch Jugendberatungsstellen.

Und das hilft dann?
Nicht immer. Es gibt Jugendliche, die ein grösseres Problem mit Online-Games haben. Das zeigt sich vor allem bei denen, die deswegen nicht mehr in die Schule kommen und sich zu Hause in ihrem Zimmer einschliessen.

Wie gross ist der Anteil der Jugendlichen, die derart onlinesüchtig sind?
Das ist ein sehr kleiner Anteil, wohl weniger als ein Prozent. Die meisten finden einen vernünftigen Umgang mit ihrem Smartphone.

Gibt es noch andere Aspekte, die die heutige Jugend von jener vor 25 Jahren markant unterscheiden?
In der Schule pflegt man die Gemeinschaft stärker als früher. Man achtet darauf, dass das Schulklima gut ist. Das war vor 25 Jahren weitgehend dem einzelnen Lehrer oder der Lehrerin überlassen. Heute weiss man, wie wichtig es ist, dass die Kinder und Jugendlichen sich in der Schule gut aufgehoben fühlen. Und man schreitet bei Mobbing schneller ein.

Hat sich das Mobbing-Problem verschärft?
Nein, aber es hat sich ins Internet verlagert. Während man früher vielleicht von einer kleinen Gruppe von Jugendlichen geplagt wurde, kann es heute eine grosse Gruppe sein, die Gemeinheiten verbreitet, um jemanden zu verletzen. Das kann jedem und jeder passieren. Darum ist es so wichtig, dass man es anspricht und auch von Erwachsenenseite her zu unterbinden versucht.

Der Lehrer oder die Lehrerin ist nicht mehr allein mit den Schulkindern, es sind vermehrt Experten wie Heilpädagogen oder Psychomotoriker da, Teamarbeit ist gefragt. Führt das dazu, dass Lehrpersonen Verantwortung abschieben?
Die Verantwortung wird von der Schulleitung mitgetragen. Dass mehrere Lehrpersonen mit der Klasse arbeiten, viele mit Teilzeitpensen, sollte nicht dazu führen, dass man weniger Verantwortung übernimmt, sondern dass man sie gemeinsam trägt.

Sollte. Ist dem auch so?
Bei Teamteaching kann es Abspracheprobleme geben, sodass jeder meint, der andere sei am Ball.

Sehen Sie die angesprochenen Veränderungen in der Schule insgesamt als Erfolg?
Früher waren die Lehrpersonen weitgehend auf sich gestellt, einige bezeichneten sich als Einzelkämpfer. Das Pendel hat nun in die andere Richtung ausgeschlagen: Es sind oft so viele Personen, die sich mit dem Kind befassen, dass dieses manchmal nicht mehr weiss, mit welcher Frage es sich an wen wenden soll. Ich finde es besser, wenn sich eine kleinere Anzahl Erwachsene um das Kind kümmert. Es gibt ja im Kanton Zürich das Projekt «Starke Lernbeziehungen», das genau darauf abzielt.

Auch das Verhältnis Eltern-Schule hat sich verändert. Sollten sich Eltern wehren, wenn für ihr Kind in der Schule eine Abklärung nach der anderen vorgeschlagen wird?
Eltern sollen sich frei fühlen, ihre Meinung im schulischen Standortgespräch einzubringen. Das ist auch der richtige Ort, um Vorbehalte gegen Abklärungen und Massnahmen zu diskutieren. Für den Austausch der Einschätzungen wird in solchen Gesprächen oft zu wenig Zeit verwendet. Man redet zu viel über Probleme, statt auch die Stärken des Kindes zu thematisieren.

Tendiert unser heutiges Schulsystem dazu, sich zu stark auf die Probleme zu konzentrieren?
Ich denke: Ja. Es gibt nämlich Schwierigkeiten, die Kinder nicht ohne weiteres überwinden können. Schwächen, mit denen sie einen Umgang finden müssen. So gibt es zum Beispiel schwere Lese-Rechtschreibschwächen, die auch mit aller Förderung nicht ganz verschwinden. Wenn man sich zuviel vornimmt und denkt, alles lasse sich beheben, tut man dem Kind keinen Gefallen. Die Förderplanung soll realistische Ziele haben. Wichtig ist zu schauen: Was hilft dem Kind beim Lernen, und wie kann es wieder zu Erfolgserlebnissen kommen? Das schafft Selbstvertrauen, und das braucht das Kind um sich weiterzuentwickeln.

Wenn Sie darüber entscheiden könnten, was man dringend ändern müsste an unserem Schulsystem: Was würden Sie tun?
Ich würde die Zahl der separierten Sonderschulungen zugunsten von integrierten Schulungsformen reduzieren. Kinder, die besonders intensive Massnahmen brauchen, sind noch zu häufig in separierten Angeboten. Zwar hat man vor zehn Jahren mit der integrierten Sonderschulung ein Gefäss geschaffen, das oft und gern genutzt wird. In vielen Gemeinden werden aber nur Kinder mit geistiger Behinderung auf diese Weise unterrichtet. Kinder mit Sinnesbehinderungen, schwereren Aufmerksamkeitsstörungen, leichteren Formen von Autismus oder Verhaltensauffälligkeiten besuchen dann eine Sonderschule. Aus meiner Sicht geschieht das zu oft.

Ist die Schule in der Lage, noch mehr schwierige Fälle integrieren?
Im Moment eher nicht. Aber wenn es gelingt die Regelschule zu stärken, und wenn man entsprechende Ressourcen aus der Sonderschulung in die Regelklassen zurückholt, kann man diesen Kindern besser gerecht werden. Sie zusammen mit anderen zu schulen, die ähnliche Probleme haben, kann für ihr Selbstvertrauen und ihre weitere Entwicklung eine Belastung sein. Eine gute Durchmischung der Klassen ist auch für Jugendliche mit einer Behinderung sehr viel wert.


Schweizerschulen gehen in die Offensive

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Bilder lachender und fähnchenschwenkender Kinder springen im jüngsten Newsletter von Education Suisse, dem Verein der Schweizerschulen im Ausland, ins Auge. Als Bundesrat Alain Berset zusammen mit dem mexikanischen Bildungsminister am 25. August die Schweizerschule in Mexiko-Stadt besuchte, zeigten Schülerschar und Lehrerschaft offensichtlich Freude über die Visite aus der hohen Politik. Auch ein bilaterales Abkommen wurde unterzeichnet, das die Rahmenbedingungen für die Schule neu definiert. In derselben Woche öffnete in China erstmals eine Schweizerschule ihre Tore. Der Ausserrhoder Ständerat Ivo Bischofberger reiste extra nach Peking, um als damaliger Präsident der kleinen Kammer der Feier Gewicht zu verleihen. In den Reden in Mexiko und in China wurde die völkerverbindende Funktion der Schweizerschulen hervorgehoben. Sie sollen Brücken schlagen, Swissness in die Welt tragen.
Schulen sollen Swissness in die Welt tragen, NZZ, 6.1. von Jörg Krummenacher


Praxisorientierte Ausbildung
Das entspricht dem Selbstverständnis der Schulen und seit 2015 auch ihrem gesetzlichen Auftrag. Das neue Schweizerschulengesetz stellt einen Paradigmenwechsel dar: Nicht mehr wird in erster Linie die Ausbildung von Schweizer Kindern im Ausland gefördert, die Schulen sollen sich als Schaufenster für Bildung und Kultur der Schweiz präsentieren. «Swissness stärken», lautet die Devise von Hans Ambühl, der im März 2017 als Generalsekretär der Erziehungsdirektorenkon­ferenz pensioniert wurde und seit letztem Jahr Präsident von Education Suisse ist.Besonders wichtig ist es Ambühl, die didaktische Qualität des Schweizer Bildungswesens in den Auslandschulen weiterzuentwickeln, das auf berufliche Ausbildung und nicht nur akademische Bildung ausgerichtete System zu fördern sowie die betriebswirtschaftliche Kompetenz der Schulen zu unterstützen und zu stärken. Ambühl hat die Swissness in der Bildung zum Jahresthema 2018 erklärt. Zudem schwebt ihm vor, in der Schweiz eine Winter- oder Sommerakademie für die Lehrkräfte der Schweizerschulen einzuführen. Allein: Die Finanzquelle dafür muss erst noch gefunden werden.

Die Schweizerschulen geniessen an ihren Standorten einen guten Ruf und sind ein Faktor der Aussenpolitik. Daran ändern kleinere Verwerfungen wenig, wie etwa jene vergangenen Sommer bei der Schweizerschule in Mailand. Sie hatte in Eigenregie das Reglement geändert und sich als «nicht optimal» für Kinder mit Lernschwierigkeiten bezeichnet. Berichte in italienischen Medien führten zu heftiger Kritik, worauf das Bundesamt für Kultur durchsetzte, dass der Passus gestrichen wurde: Es könne nicht Geist einer Schweizerschule sein, bei Lernschwierigkeiten vom Besuch abzuraten.

«Integration ist ein ausgesprochen wichtiger Teil der Swissness», betont auch Hans Ambühl – das gelte in pädagogischer wie gesellschaftlicher Hinsicht. Stipendien würden weiter gefördert, so dass der Besuch einer Schweizerschule nicht nur für die Oberschicht bezahlbar sei. Gegen Tendenzen, zu elitär zu werden, wie es vereinzelt von Eltern berichtet wird, will er angehen. Zudem zielen Bildung und Erziehung an den Schweizerschulen darauf ab, dass die Kinder zu selbständigen Personen werden – was allerdings in manchen Ländern nicht gleichermassen selbstverständlich ist wie in der Schweiz.

Schweizer Pass nicht zwingend
Weiterhin zwingend ist der Unterricht in einer Schweizer Landessprache. Aufgehoben wurde 2015 hingegen, der Not gehorchend, die Mindestquote von Schweizer Schülern. Von den weltweit rund 8000 Kindern – eine ansteigende Zahl – in Schweizerschulen haben nur 1650, also gut 20 Prozent, einen Schweizer Pass. Von den 824 Lehrerinnen und Lehrern sind 264, knapp ein Drittel, aus der Schweiz.

Die erste Schweizerschule wurde 1839 in Neapel gegründet; sie wurde in den 1980er Jahren geschlossen. Ebenfalls nicht halten konnten sich Schulen in Italien und solche in Brasilien, Ägypten und Ghana. Die heutigen 18 Schulen verteilen sich auf Europa (7), Lateinamerika (8) und Asien (3). Bei einem Umsatz von 74 Millionen Franken unterstützt sie der Bund jährlich mit rund 18 Millionen. Bern subventioniert zudem 13 deutsche, französische oder internationale Schulen mit Schweizer Lehrpersonal.

Für Hans Ambühl ist es Zeit für die Eröffnung weiterer Schulen und für Kooperationen, vor allem mit deutschen Auslandschulen. Konkret in Diskussion ist die Gründung einer Schule in Schanghai; Projekte gibt es für Vietnam, Brasilien, Ägypten, Katar und Kuwait. Womöglich lässt sich die Zahl der 14 Patronatskantone erhöhen, die sich für eine Schweizerschule einsetzen. Ambühl setzt auch auf das Engagement von Auslandschweizern und Schweizer Firmen vor Ort. Dadurch soll – so seine Hoffnung – das Netzwerk Schweiz in der Welt noch engmaschiger werden.


Aus den Fehlern anderer lernen

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Nicht nur Schweizer Lehrpersonen sind auf allen Bildungsstufen mit dem Kompetenzbegriff konfrontiert und überlegen, was er an Neuerungen, Verbesserungen oder Einbussen mit sich bringen könnte. In Deutschland und Österreich ist die Kompetenzorientierung schon lange an den Hochschulen angekommen, wo sie herbe Kritik provoziert. Dass diese Neuorientierung dort den gesamten Bildungsbereich durcheinander und eben auch aufgebracht hat, zeigte eine anderthalbtägige Konferenz prominenter Vertreter/-innen aus Hochschule und Politik, die Anfang Juli in Frankfurt stattgefunden hat. Auf der 1. (In-) Kompetenzkonferenz hielten Hochschullehrer/-innen aus sieben Fakultäten, darunter der Präsident des deutschen Hochschullehrerverbandes, sowie ein bundesdeutscher Minister Vorträge zur Kompetenzorientierung in der Bildung und diskutierten ihre Erkenntnisse mit ca. 250 Teilnehmern aus allen deutschsprachigen Ländern.

Bilder: Gymnasium Helveticum
Kompetenzorientierung als Sündenfall in der Pädagogik? Gymnasium Helveticum 5/2017 von Gabriela Trutmann und Yasemin Kanele

Die Tagung mag an Kritik nur wenig Neues gebracht haben, doch haben die Vorträge gezeigt, dass die Auswirkungen der Kompetenzorientierung auf die Hochschule, die Freiheit von Lehre und Forschung und insbesondere die Ausbildung der Lehrer auf breiter Ebene als enormer Qualitätsverlust wahrgenommen werden. Prof. Liessmann aus Wien sprach gar von der Kompetenzorientierung als «Sündenfall in der Pädagogik». Nun wird ein Stopp von Hochschulseite gefordert. Im Folgenden werden jene Ergebnisse aus den neun Referaten dargestellt, die unbestritten waren.

Wurzel und Problematik der Kompetenzorientierung
Sämtliche Referenten sahen die Kompetenzorientierung als Resultat der Ökonomisierung der Bildung. Die OECD hat Ende der 1990er-Jahre diese Entwicklung mit der Einführung der PISA-Tests rasant beschleunigt: «Die PISA-Aufgaben erfassen, inwieweit Schüler/-innen in der Lage sind, alltagsrelevante Probleme effektiv zu analysieren, ihre Lösungen zu begründen und darzulegen. Reines Faktenwissen spielt dabei eine untergeordnete Rolle. [...] Die Ergebnisse aus der Studie dienen den Teilnehmerstaaten als Grundlage von schulpolitischen Entscheidungen sowie zur Einschätzung und Kontrolle der Effektivität des jeweiligen Bildungssystems.»1

In die gleiche Richtung geht die Bologna-Reform, die Bildung in verschiedenen Ländern ohne Rücksicht auf unterschiedliche Bildungsbedürfnisse und -traditionen vergleichbar machen will.

Weinerts Kompetenzdefinition als Grundlage einer flächendeckenden Neuausrichtung der Bildung in der Kritik
Die Kompetenzorientierung geht von der Definition Franz E. Weinerts2 aus: Kompetenzen sind «die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können».

Kritisiert wurde, dass allein die Problemlösung zum Ziel aller Bildungsprozesse wird und die Steuerung des Willens des Lernenden anvisiert wird. Die erworbenen Fähigkeiten werden von Inhalten entkoppelt, da sie in variablen Situationen anwendbar sein sollen. Reine Neugierde und ungerichteter Drang nach Erkenntnisgewinn – bislang Motor der Wissenschaften – werden verdrängt.

Auswirkungen auf Lehre und Unterricht
Festgestellt wurden Auswirkungen auf den Bildungsbegriff im Allgemeinen:
• Bildung richtet sich ausschliesslich am Prinzip der Nützlichkeit aus und ist rein handlungsorientiert.
• Fächer mit anderen Zugängen zur Welt als der unmittelbaren ökonomischen Verwertbarkeit geraten immer mehr ins Aus.
• Statt Persönlichkeitsentwicklung rückt die Verwertbarkeit der Lernenden in der Wirtschaft ins Zentrum.
• Wissen trägt seinen Zweck nicht mehr in sich selbst, sondern ist Mittel zur Kompetenzgewinnung.
• Fach- und Sachinhalte werden bewusst vage gehalten.

Auf die Schulen:
• Lehrpläne und Didaktik richten sich auf messbaren Output aus. Lehrpläne werden in Kompetenzstufen und tausende von Einzelkompetenzen gegliedert, die in dieser Zahl nicht umsetzbar sind.
• Lehrer/-innen fungieren nicht als Wissensvermittler, sondern als reine Lernbegleiter (Coaches).
• Ziel ist, Probleme sofort lösen zu können, aber nicht, diese in Frage zu stellen.
• Verzicht auf Wissen und Verstehen und Anspruch auf Transfer in den einfachen Alltag banalisieren komplexe Inhalte und verhindern den Blick auf Phänomene ausserhalb des unmittelbar Nützlichen. Dieser Trend hat dazu geführt, dass Aufgaben in Zentralabituren ohne Fachwissen lösbar geworden sind: Eine Abiturklausur des Leistungskurses Biologie wurde versuchsweise einer 9. Klasse eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Thema und Aufgabenstellung waren den Schülern vorher nicht bekannt. Von 27 Schülern erhielten 23 die Noten ausreichend bis sehr gut.3
• Vom Credo, nur fachwissenschaftliche Quellentexte in den Naturwissenschaften zu verwenden, hat man sich entfernt: So wurden 2014 in Hamburg der Abiturprü- fung in Biologie Texte aus einer Tourismuswebseite mit fachwissenschaftlich falschen Aussagen zugrundegelegt.
• Gute Noten allgemein und Abiture mit Bestnoten nehmen überdurchschnittlich zu.4

Auf die Hochschulen:
• Die Hochschulen empfinden sich als Anhängsel der Wirtschaftspolitik. • Sie sind unter Bolognas Vergleichbarkeitsdiktat extrem verschult worden.
• Problemorientierung führt weg von Wissenschaftsorientierung.
• Die Segmentierung der Bildung durch stark modularisierte Studiengänge erschwert Studierenden individuelles Vertiefen einzelner Bereiche. Zugleich hat sich der Prüfungsumfang verringert und kann ohne grösseren Überblick über ein Fachgebiet bewältigt werden.
• Die Modularisierung hat 18000 Studiengänge geschaffen und dadurch das Kernziel von Bologna, den internationalen Austausch für Studierende zu vereinfachen, ad absurdum geführt.
• An den Hochschulen findet eine Entkopplung statt: Man ist sich bewusst, dass die Kompetenzorientierung nur einen kleinen  Teil der Trias «gewusst, was», «gewusst, wie» und «gewusst, warum» abdeckt. Nach aussen scheint die Kompetenzorientierung umgesetzt, intern herrschen Pragmatismus und oft Ablehnung.

Auf die Lehrerausbildung:
• Didaktik, Methodik und Präsentation ersetzen schleichend Wissen und Inhalte: In Österreich ist der fachwissenschaftliche Bereich so weit in den Hintergrund getreten, dass die Lehrerausbildung von den Referenten als katastrophal eingeschätzt wurde. In Deutschland wurde die didaktische Ausbildung auf Kosten der fachwissenschaftlichen von 10% auf heute 33–46 % ausgebaut.
• Vielen Lehrern fehlt nun der fachwissenschaftliche Hintergrund. Sie sind auf aufbereitetes didaktisches Material angewiesen, dessen fachliche Richtigkeit sie oft nicht beurteilen können. Aufgabenpools staatlicher Bildungsinstitute5 enthalten triviale Aufgabenstellungen, deren überdidaktisierte Kommentare fachliche Ansprüche erheben, die die Aufgaben nicht erfüllen.6
• Beim Testen ist allgemein problematisch, die Kompetenzstufen klar voneinander abzugrenzen: Wann ist die Kompetenzstufe III bei einem 6-Jährigen erreicht, wann bei einem Abiturienten?

Lösungsansätze
Es herrschte Einigkeit in der Forderung, das Können sei wieder nach dem Wissen auszurichten, nicht umgekehrt. So wäre am Beispiel des Literaturunterrichts zu überlegen, welche Texte Lernende gelesen und verstanden haben sollten; erst danach sei zu fragen, welches Wissen und welche Kompetenzen sie für deren Verständnis bräuchten. Nicht jede Form des Wissens könne sofort angewendet werden, manches gehe vergessen oder unterliege einer gewissen «Halbwertszeit». Der Erwerb sei dennoch nicht sinnlos: «Nach dem Vergessen bin ich ein anderer als vorher», so Prof. Liessmann. Neugier für die Sache als eigentliche Motivation zum Erkenntnisgewinn bedürfe einer Wiederbelebung in Unterricht und Lehrerausbildung. Kompetenzorientierung löse im Lernenden weder Neugier noch Enthusiasmus aus.

Biologiedidaktiker Prof. Klein forderte, die fachwissenschaftliche Lehrerausbildung zu stärken und das Verhältnis von stark reduzierter Fachwissenschaft und ausgebauter Didaktik zu korrigieren. Die Lehrpersonen sollen ihren Unterricht jenseits der aufgezeigten Absurditäten gestalten und von den Lehrerverbänden gestützt werden, falls sie deswegen unter Druck geraten.

Von politischen Amtsträgern wird erwartet, dass sie die Wissenschaften und ihre Freiheiten stärken. Der deutsche Hochschullehrerverband, so der Verbandspräsident Prof. Kempen, setze sich explizit für eine Rückbesinnung auf den Humboldt’schen Bildungsbegriff ein. Der Vorschlag, juristische Schritte auf verfassungsrechtlicher Ebene zu ergreifen, sei zu prüfen. Trotz fachlicher Überlegenheit könne die Hochschule lediglich über das Mittel des Arguments auf die Öffentlichkeit einwirken. Widerstand und Druck von aussen, betonte auch Mathematikprof. Bandelt, mache Eindruck auf die politisch Verantwortlichen. Das Beispiel der G9-Bewegung7 in Nordrhein-Westfalen zeige, so Finanz- und ehemaliger Bildungsminister Brodkorb, die Macht der Eltern und der Öffentlichkeit. Die Politik beginne umzudenken.

Schlussfolgerungen für das Schweizer Bildungswesen
Die Relevanz des Tagungsthemas für die Schweiz liegt auf der Hand. Der Trend hat unser Bildungswesen bereits voll erfasst: Bologna ist Realität an den Hochschulen; die Pisa-Ergebnisse werden jedes Jahr mit Bangen erwartet; harmonisiert wird in den Kantonen mittels kompetenzorientiertem Lehrplan 21; die aufwendigen Bemühungen der EDK, die gymnasiale Bildung den internationalen Forderungen anzugleichen, brachten Projekte wie «Gemeinsam prüfen» und das der «Basalen fachlichen Kompetenzen in der Erstsprache und in Mathematik» hervor, deren Umsetzung wir uns gerade stellen.

Wollen wir den Gefahren des Niveauverlustes und der Verflachung der Bildung entgehen und fachwissenschaftliche Inhalte vor der Didaktisierung retten, so sollten wir all unsere Bemühungen auf ein gesundes Austarieren von Kompetenzen und Fachwissen richten. Denn bei allem Reformeifer sollten wir nicht vergessen: Wir können aus den Fehlern anderer lernen.

1 https://www.bifie.at/pisa
2 F. E. Weinert (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim und Basel, 2001, S. 27f.
3 H. P. Klein, Vom Streifenhörnchen zum Nadelstreifen, Das deutsche Bildungswesen im Kompetenztaumel, zu Klampen Verlag, 2016, S. 19–24.
4 Artikel ZEIT ONLINE vom 12.5.16: http://www. zeit.de/2016/19/abitur-bestnoten-pruefungenschnitt-leistung; Kultusminister Konferenz, Statistik Abiturnoten im Ländervergleich: https://www.kmk.org/dokumentation-undstatistik/statistik/schulstatistik/abiturnoten.html
5 Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (D) und Bundesinstitut für Bildungswesen, Innovation und Entwicklung (A)
6 Beispiel Temperaturmessung (Physik): https://aufgabenpool.bifie.at/nawi/index. php?action=14&cmd=1&sbm_search=1& faecher[]=4&rc=12&offset=10
7 Volksinitiative zur Erhöhung der Gymnasialdauer von 8 auf 9 Jahre


Gabriela Trutmann unterrichtet Latein und Griechisch an der Kantonsschule Zürich Nord. Sie ist Präsidentin des Forums Alte Sprachen Zürich. Yasemin Kanele ist Gymnasiallehrerin für das Fach Deutsch an der Kantonsschule Zürich Nord.

Unterstützung ist Glückssache

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1,9 Millionen Franken Unterstützungsbeiträge zahlt der Kanton Solothurn jährlich für Schülertransport- und Verpflegungskosten. Ob Eltern Geld erhalten, ist aber trotz einheitlicher Kriterien Glückssache. Es hängt von der Gemeinde ab.
Unterstützungsbeiträge für Schulkinder: Nur wer Glück hat, bekommt sie, Solothurner Zeitung, 5.1. von Ornella Miller
Tabellen und weitere Infos auf: 
www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/unterstuetzungsbeitraege-fuer-schulkinder-nur-wer-glueck-hat-bekommt-sie-132056425 


Vorbei die Zeiten, da Schulkinder zu Fuss lange Schulwege auf sich nehmen mussten und mittags das mitgebrachte Sandwich verzehrten. Gute öV-Netze und Mensen an höheren Schulen: all das ist heute vorhanden.

Anno 1969 jedoch – aus diesem Jahr stammt das Solothurner Volksschulgesetz – war das anders. «Bei unverhältnismässig weitem oder beschwerlichem Schulweg hat die Gemeinde allfällige Kosten für auswärtige Unterkunft zu übernehmen und an Auslagen für auswärtige Verpflegung einen angemessenen Beitrag zu leisten», steht in diesem Gesetz. Noch immer gelten die damals vom Kanton festgelegten Pauschalbeiträge von beispielsweise vier Franken je Mittagessen und drei Franken je Übernachtung.
Diese zahlt der Kanton unter gewissen Bedingungen. 2016 betrug dafür der Aufwand 1,9 Millionen Franken, davon 132'000 Franken für Verpflegung. «Zwei Drittel der Transportkosten sind Abonnementskosten», erläutert Andreas Walter, Chef des Volksschulamtes. «Während man früher zum Beispiel Schulbusse der Gemeinden subventionierte, versucht man heute möglichst alles über den öV zu regeln.»

Zwar nennt der Kanton Kriterien, doch eine Umfrage dieser Zeitung zeigt: Wie die Gemeinden sie interpretieren, ist unterschiedlich. Je nach Wohngemeinde erhalten Eltern Beiträge oder auch nicht. Ein Beispiel: Während Bettlach ihren zwei Jugendlichen, welche die Talentförderklasse in Solothurn besuchen (Sek E oder B), keine Verpflegungskosten zugesteht, profitierten aus dem sehr viel näheren Bellach im letzten Schuljahr gerade vier Jugendliche derselben Schule von Verpflegungskostenbeteiligung. «Bettlach unterstützt sonst andere Dinge, die andere Gemeinden nicht mehr finanzieren, etwa Kieferbehandlungen und Skilager», sagt eine Gemeindeangestellte.

Unterschiede auch an der Kanti Solothurn: Insgesamt 23 Jugendliche, welche das erste Gymnasialjahr absolvieren, erhielten letztes Schuljahr einen Verpflegungsbeitrag. Gleich 16 von ihnen stammen aus dem steuergünstigen Lohn-Ammannsegg. Angefragte Gemeinden sagten oft, die Kanti habe eine Mensa, deshalb hätten Schüler des ersten Gyms nichts zugute, ebenso die Sek-P-Schülerschaft. Auch Grenchen und Welschenrohr zahlen Beiträge.

Geld für nicht gekauftes Abo

Auch bei der Gestaltung der Ausbezahlung gibt es Unterschiede. In Recherswil müssen die Jugendlichen das Abo und den Schülerausweis bei der Gemeindeverwaltung vorweisen, während Lommiswil die Abo-Kosten auch dann ausbezahlt, wenn sie gar kein Abo beziehen.

Eine kleine andere Ungleichheit: Bei den meisten Gemeinden läuft es so, dass sie in den bewilligten Fällen selber nichts bezahlen, sondern nur die Kantonsbeiträge ausrichten.

Hingegen erhalten Schüler aus Welschenrohr von der Gemeinde selber einen Franken zusätzlich zu den vier des Kantons. «Die Gemeinde prüft und entscheidet. Sie kennt die Gegebenheiten vor Ort. Wir kontrollieren nicht alles nochmals, sondern nur grob. Denn wir vertrauen grundsätzlich», sagt Andreas Walter vom Volksschulamt.
Eine weitere Uneinheitlichkeit: Bei den Transportkosten trägt der Kanton das erste Jahr Gymnasium nicht mit, gleichaltrige Schulbesucher der Sek B, E, P und der Talentförderklasse erhalten hingegen schon Unterstützung. Gleichzeitig wird bei den Verpflegungskosten diesbezüglich nicht differenziert. Walter erklärt den verwaltungstechnischen Grund: Die Transportkosten beziehen sich auf die Zugehörigkeit zur Volksschule (das Gymnasium ist keine Volksschule), während die Verpflegungskosten sich auf das Volksschulalter beziehen.

5 Minuten zur Mensa zumutbar?
Fragen wirft schliesslich ein Blick in die Tabelle auf. So ist es erstaunlich, dass 46 Jugendliche der Talentförderklasse Verpflegungsgeld erhalten. Die rund 60 Absolventen zählende Schule im Schützenmattschulhaus hat zwar keine Mensa. Jedoch ist die Pädagogische Hochschule und deren Mensa in einem 5-Minuten-Spaziergang zu erreichen, die Kanti in wenigen Velominuten, ebenso die Gewerblich-industrielle Berufsschule. Oder das Stadtzentrum, wo viele Schüler sich von Fast Food ernähren.

Die Schulleiterin der Talentförderklasse Stefanie Ingold sagt, die Jugendlichen könnten ihr mitgebrachtes Essen in der Schule zu sich nehmen, es stehe ein Raum mit Mikrowelle zur Verfügung. «Eine Mensa wird es aus räumlichen und finanziellen Gründen nicht geben.» Auffallend ist, dass auf der Schul-Homepage gleich Verpflegungskosten-Antragsformulare und –Informationen heruntergeladen werden können.

Im Kontrast dazu wurde in der Umfrage bei den Behördenmitgliedern oft argumentiert, man spreche keine Verpflegungsgelder, denn zu Hause würden die Kinder ja auch essen und das koste schliesslich auch. Doch niemand wollte mit Namen zitiert werden, es sei «bloss eine persönliche Meinung».

Nichts oder 1444 Franken pro Jahr?
Als 2013 die FDP-Kantonsräte in einer Interpellation fragte, ob die Regelungen noch «zeitgemäss» seien, habe man laut Andreas Walter Unklarheiten klären können. Doch könnte man hier nicht auch Sparpotential orten und das Giesskannenprinzip kritisieren, wie das auch angefragte Gemeindeverantwortliche andeuteten? Für Andreas Walter vom Volksschulamt ist es kein Giesskannenprinzip, da nicht alle Familien «x-Franken Schulkosten» abziehen könnten. «Es ist immer so eine Frage, ob man auch eine Art Sozialindex einbaut, indem man sagt, bedürftige Familien erhalten ein bisschen mehr.»
Das überlässt er jedoch der Gemeindeautonomie, die er generell hochhält. Das System sei «einfach und praktikabel» und: «Mir ist nichts bekannt, dass etwas brodelt oder dass Unsicherheiten vorhanden sind.»

Keine Unsicherheiten? Aufhorchen liess kürzlich der Fall eines 14-jährigen Schiesstalents aus Oensingen. Die Schülerin besucht die Sport-Talentförderklasse in Solothurn. Nachdem in einer Gemeinderats-Sitzung im September das entsprechende Gesuch der Eltern für Verpflegungs- und Transportkosten abgelehnt wurde, wurde bereits in der Oktober-Sitzung klar, dass die Gemeinde ein neues Konzept hat und die Kosten übernimmt. 1'444 Franken für ein Jahres-Abo und 1'152 Franken für Verpflegung.

Gezielt angestrebter Paradigmenwechsel

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Der Regierungsrat des Kantons Zürich will also nach wie vor den Lehrplan 21, der über Jahre mit strengster Geheimhaltung unter Verschluss gehalten wurde, auf den nächsten Sommer hin verbindlich für alle Schulen einführen. Die Tatsache, dass der Lehrplan 21 zwar eine besonders happige und grundlegend umwälzende, aber keineswegs die erste Reform – die ursprünglich in wesentlichen Punkten aus der Küche der OECD stammt – im Bildungswesen ist, können selbst namhafte Schweizer Bildungspolitiker nicht mehr länger bestreiten, seitdem die NZZ diese Zusammenhänge dargestellt hat (NZZ 1. 12. 17). Damit ist endlich klar belegt, dass tatsächlich viele der im grossen Stil in diversen Ländern teils geplanten, teils bereits umgesetzten Umwälzungen im Bildungsbereich nicht einfach logische Fortsetzungen sind von historisch gewachsenen Entwicklungen, sondern gezielt angestrebte Paradigmenwechsel von einseitigen und mächtigen wirtschaftlichen Interessengruppierungen. Warum nur möchte denn der Regierungsrat und mit ihm die Bildungsbehörden die längst fällige öffentliche Diskussion und demokratische Volksbefragung zu grundlegenden Fragen des öffentlichen Bildungswesens verhindern? Das Volk soll am 4. März an die Urne und mit der Annahme der Mitsprache- und Mitbestimmungsinitiative in Bildungsfragen seinen Anspruch auf die verbrieften Bürgerrechte unterstreichen und einfordern.
NZZ, 5.1. Leserbrief von Kurt Scherrer
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